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Trotz Kritik hält das Gesundheitsministerium die Durchimpfung von Über-65-Jährigen bis Ende April für realistisch. Impfungen bei Polizisten sollen diese Woche beginnen.
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Corona-Impfmöglichkeiten sind ungenützt geblieben. Die Stadt Wien hat daher vor dem Osterwochenende für Wienerinnen und Wiener über 65 Jahren noch einige Tausend Impftermine kurzfristig anbieten können. Die Bundeshauptstadt hinkt bisher bei der Immunisierung älterer Menschen nach. In der Altersgruppe 65 bis 74 Jahre lag Wien erst bei knapp 13 Prozent, auch bei noch älteren Menschen war erst gut die Hälfte geimpft, wie aus Daten des elektronischen Impfpasses des Gesundheitsministeriums hervorgeht. Auch österreichweit sind im Alter von 65 bis 74 Jahren lediglich rund 17 Prozent geimpft, was Unmut bei Seniorenvertretern ausgelöst hat.
Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) hat hingegen angekündigt, dass bis Ende April alle Über-65-Jährigen, die eine Corona-Impfung wollen, zumindest einen ersten Stich erhalten sollen. Das Gesundheitsressort hält auch nach der Kritik am Impfplan an diesem Ziel fest: "Auf Basis der prognostizierten Lieferzahlen ist die Erreichung der von der Bundesregierung gesteckten Impfziele weiterhin realistisch", wurde der "Wiener Zeitung" auf Anfrage bekräftigt.
Die ursprüngliche Unsicherheit um den Einsatz des AstraZeneca-Impfstoffs, der bei älteren Menschen verwendet wird, hat offenbar Folgen gehabt. Denn auch im Gesundheitsministerium wird bei der Frage nach der noch geringen Zahl an Corona-Impfungen bei Über-65-Jährigen ausdrücklich angemerkt, "dass AstraZeneca erst seit 5. März für die Altersgruppe über 65 Jahren und Hochrisikogruppen empfohlen ist." Manche Bundesländer, die für die Umsetzung der Corona-Impfungen zuständig sind, haben daher in dieser Phase die Impfungen bestimmter Berufsgruppen vorgezogen.
50.000 Lehrer und Kindergartenpersonal in Wien geimpft
Das war auch in Wien der Fall, man hat im März vor allem Lehrer und Kindergartenpersonal zügig geimpft. Insgesamt erfolgten allein in dieser Gruppe rund 50.000 Corona-Impfungen, die deutlich höchste Zahl in allen Bundesländern. Geimpft wurden in der Bundeshauptstadt auch Mitarbeiter von Corona-Labors und nichtärztliches Gesundheitspersonal; im März auch Kontaktpersonen von Schwangeren. Das hat zwischenzeitlich für Aufregung gesorgt, weil dabei offenbar auch missbräuchlich Personen früher zum Zug gekommen sind. Ebenfalls bereits geimpft sind in Wien rund 35.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Spitälern, bei Rettungsdiensten und in der mobilen Pflege.
Gesundheitsminister Anschober hat bereits Mitte März in einem Erlass an die Bundesländer die "vorrangige Impfung" nach Alter und für Hochrisikogruppen vorgegeben. Die Realität sieht gut drei Monaten nach den ersten Corona-Impfungen am 27. Dezember des Vorjahres so aus: Laut Dashboard des Gesundheitsministeriums sind bisher 20 Prozent der 65- bis 79-Jährigen zumindest einmal geimpft, also jeder Fünfte in dieser Altersgruppe.
Der Chef des SPÖ-Pensionistenverbandes, Peter Kostelka, machte Ende der Vorwoche in den "Salzburger Nachrichten" seinem Ärger über die geringe Quote an Corona-Geimpften mit rund 17 Prozent in der Altersgruppe zwischen 65 und 74 und generell bei den Senioren Luft und drängte auf mehr Tempo. Die Chefin des ÖVP-Seniorenbundes, Ingrid Korosec, beklagte, dass vor allem ältere Menschen außerhalb der Pflege- und Seniorenheime speziell im Alter von 65 bis 74 Jahren noch zu wenig geimpft worden seien. Patientenanwalt Gerald Bachinger wiederum kritisierte wie auch Betroffene selbst, dass viele Risikopatienten beim Corona-Vakzin ebenfalls noch nicht zum Zug gekommen sind. Am Karsamstag sind insgesamt in ganz Österreich lediglich 18.644 Impfdosen zum Schutz vor Corona-Infektionen verabreicht worden.
Mehr Impfdosen im April und Mai
Das Gesundheitsressort setzt darauf, dass mit erhöhten Liefermengen nun pro Tag die Zahl der Impfungen auch steigen werde. Allein für April rechnet das Ministerium mit 1,4 Millionen Impfdosen. Bei der Durchführung sieht das Gesundheitsressort allerdings die Länder gefordert. Als Reaktion auf die Kritik von Seniorenvertretern und Patientenanwaltschaft wurde darauf hingewiesen, dass der Bund zwar für die Impfbeschaffung, für die Umsetzung aber die neun Bundesländern zuständig seien.
Bezüglich der Impfkampagne sei die Bundesregierung "in laufendem Austausch mit den Verantwortlichen den Ländern". Nachdem von Länderseite in den vergangenen Wochen mehrfach betont worden ist, dass nicht mehr Corona-Impfstoff zur Verfügung stehe, drehte das Gesundheitsressort den Spieß um und stellte Ende der Vorwoche klar, dass für Wien noch rund 30.000 Impfdosen im Großlager bereitliegen würden. Das war auch ein Stich in Richtung Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), der die Zahl der Geimpften bis Ende Juni von ursprünglich 70 auf 60 Prozent der Wiener Bevölkerung zurückgeschraubt hatte und dies mit den geringeren Impfmengen, die zur Verfügung stünden, begründet.
Das Gesundheitsministerium rechnet für Mai mit 2,4 Millionen Impfdosen sowie weiteren 2,8 Millionen Impfdosen für Juni. Deswegen bleibt das Ressort dabei, dass Ende Juni/Anfang Juli zwei der Drittel der Bevölkerung, die geimpft werden können, zumindest eine Erstimpfung erhalten haben werden.
"Selbst wenn es genügend Impfstoff gäbe, würde es noch Wochen dauern, bis Österreich auf dem jetzigen Stand der USA, des Vereinigten Königreichs oder von Israel ist", erklärte heute Heike Lehner, Ökonomin des industrienahen Think Tanks Agenda Austria. Sieben bis elf Wochen würde es dauern, bis Österreich auf dem jetzigen Stand von Israel wäre. Die Wertschöpfungsverluste, die in dieser Zeit gemessen an Israel entstehen, erreichen fünf bis 14 Milliarden Euro, rechnete sie in einer Aussendung vor.
Neuer Impfplan bei Polizei ab dieser Woche
Allerdings sorgt nicht nur das bisher schleppende Tempo beim Impfschutz für Senioren für Zündstoff. Durch die nun vorrangig für ältere Menschen vorgesehene Corona-Impfung habe manche Berufsgruppen das Nachsehen. Polizeigewerkschafter haben deswegen schon im März ihren Unmut zum Ausdruck gebracht, weil der unmittelbar bevorstehende Start der Impfkampagne bei den Exekutivbeamten kurzfristig abgeblasen worden ist.
Wie der "Wiener Zeitung" im Innenministerium erklärt wurde, soll es jetzt in der Woche nach Ostern mit den Impfungen bei den Polizisten losgehen. Allerdings in deutlich geringerem Umfang als ursprünglich geplant: Der Impfstart für das Innenministerium und seine nachgeordneten Organisationseinheiten stehe jetzt in Kalenderwoche 14 bevor, die finalen Vorbereitungen seien getroffen worden. Während ursprünglich vorgesehen war, dass die rund 30.000 Polizistinnen und Polizisten bereits bis Ende April durchgeimpft sein sollen, wird nun zum Start keine genaue Zahl genannt. Die Rede ist von bis zu 500 Impfungen für Polizisten pro Woche. Die Impfdauer werde maßgeblich von der Größe der erhaltenen Impftranche abhängen, heißt es offiziell im Innenressort.
Die absolute Obergrenze der zu vergebenden Impftermine werde durch die gesicherte Zahl der Impfdosen und sowie "die notwendige Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes bestimmt" . In einem ersten Schritt würden operativ eingesetzte Exekutivbedienstete zunächst geimpft. Die Verzögerung und der stark reduzierte Umfang sorgen für neue Empörung bei SPÖ-Polizeigewerkschaftsvertretern, die wegen der schleppenden Corona-Impfungen sogar gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen überlegen.
Ärzte in Niederösterreich erbost
In Niederösterreich haben die Corona-Impfungen zu Verstimmung zwischen der Ärztekammer und dem Land Niederösterreich geführt. Die Ärztekammer Niederösterreich hat in einem Offenen Brief mit "Verwunderung" auf die Ankündigung des Landes zur Errichtung von Impfzentren in Niederösterreich reagiert. Denn bisher hat das Land einen anderen Weg eingeschlagen – auch als das benachbarte Wien – und ganz auf Corona-Impfungen in den Ordinationen niedergelassener Ärzte gesetzt.
Die Ärztekammer will sich jedoch nicht den Schwarzen Peter für wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung für die schleppenden Corona-Impfungen zuschieben lassen und sieht in dem nun nach drei Monaten verkündeten Vorhaben für Impfzentren ein "Ablenkungsmanöver" von Land und Bund. Denn es gebe bereits 500 Impfordinationen, letztlich sollen es in Niederösterreich 700 sein. Dabei liege das Problem nicht an den Impfzentren, sondern am fehlenden Impfstoff, betonten die Ärztevertreter.