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Fragwürdige Zeugen

Von Hermann Schlösser

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Der britische Dokumentarfilm "Sex und die Windsors", dessen deutsche Fassung am Mittwochabend in ORF 2 zu sehen war, ist eine jener Dokumentationen, die auf die voyeuristischen Interessen des Publikums spekulieren: Mit großem Aufwand wurde den homo-, hetero- und bisexuellen Ausschweifungen des Hauses Windsor nachgegangen.

Natürlich kommen in Enthüllungsfilmen dieser Art die Betroffenen selbst niemals zu Wort. Stattdessen sprechen Journalisten und Schriftsteller, deren einziges Thema die Royal Family zu sein scheint. Zuweilen entstammen sie selbst der Aristokratie, wie Lady Colin Campbell, die als Fachfrau für die Ehe von Königin Elizabeth und Prinz Philipp vorgestellt wurde. Anderen Experten merkte man die Herkunft aus der Boulevardpresse an: Clive Prince sah aus wie ein geschniegelter Society-Löwe und Noel Bothan entsprach ganz dem Bild eines abgebrühten, zynischen Klatschspalten-Reporters, als er detailliert erläuterte, wie Prinzessin Margaret, die Schwester der Königin, einst ihre vielen Liebhaber vernascht hat.

Die Ausschweifungen der Könige könnten in einer konstitutionellen Monarchie auch ein politisches Thema sein. Schließlich repräsentieren die Windsors das Ansehen des Landes. Der Film am Mittwochabend hatte jedoch keine politischen Dimensionen. Er bot nichts anderes als Klatschgeschichten, die überdies von fragwürdigen Zeugen erzählt wurden.