)
EU-Parlament findet die Idee grundsätzlich gut. | Skepsis bis Ablehnung bei den EU-Staaten. | Brüssel/Straßburg. Noch selten hat ein Vorschlag der EU-Kommission so viel öffentliche Aufregung verursacht, bevor er überhaupt da war. Denn das Thema ist sensibel. Justiz- und Innenkommissar Franco Frattini will in Anlehnung an die amerikanische Green Card eine Blue Card für die EU anregen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Damit sollen gut qualifizierte Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland, die einen Arbeitsvertrag vorweisen können, im Schnellverfahren eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung in der Union erhalten. Diese soll wahrscheinlich erst einmal für zwei Jahre gelten und bei Bedarf um fünf Jahre verlängert werden können. Schließlich könnte die Blue Card sogar in ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht münden. Der Ausweis für den legalen Einwanderer soll darüber hinaus nicht nur für ein EU-Land, sondern eben für die gesamte Union gelten. Genau damit kommt Frattini allerdings den Mitgliedsstaaten massiv ins Gehege, die bisher allein für die legale Einwanderung zuständig sind.
Kritik aus Österreich
Zumindest Deutschland und Österreich haben bereits massive Skepsis signalisiert. Beide lehnen eine Kompetenzverschiebung in Richtung Brüssel strikt ab. Das Europäische Parlament hat sich dagegen gestern, Mittwoch, mit einer überwältigenden Mehrheit grundsätzlich hinter die Idee einer Blue Card gestellt. Allerdings bleiben die Abgeordneten vorsichtig: Er könne sich zwar grundsätzlich mit der blauen Karte anfreunden, meinte etwa der ÖVP-Europaabgeordnete Hubert Pirker. Es dürfe aber keine automatische Arbeitserlaubnis für Fachkräfte in allen EU-Staaten geben, relativierte er. Sein SPÖ-Kollege Hannes Swoboda findet das Projekt noch "unausgegoren".
Der italienische Kommissar betonte auf die Kritik der EU-Länder mehrfach, dass er den Mitgliedsstaaten selbstverständlich auch weiterhin nicht vorschreiben könne, wie viele Zuwanderer sie aufnehmen. Allerdings sei die Blue Card notwendig, um topqualifizierte Arbeitskräfte in die EU zu holen. Denn heute gingen 95 Prozent nach Nordamerika oder Australien, nur fünf Prozent nach Europa, erklärte er vor dem EU-Parlament. Darüber hinaus verlangte er einheitliche Mindeststandards für die Rechte der ausländischen Arbeitskräfte auf Bildung, Gesundheits- und Sozialversorgung. Und dass Europa Einwanderung brauche, illustrierte er unlängst mit eindruckvollen Zahlen: Aufgrund der demografischen Entwicklung würden der EU bis 2030 rund 20 Millionen Einwohner fehlen. Zuwanderung sei ein Teil der Lösung.
Erstmals ins Gespräch gebracht hatte Frattini seine Blue Card bereits 2005. Nach massivem Widerstand aus den Mitgliedsstaaten hat er damals auf die Vorlage eines EU-Gesetzesvorschlages verzichtet. Diesmal scheint es ihm aber ernst zu sein: Am 23. Oktober will er seine konkreten Pläne vorlegen.