In Spanien bricht eine alte Wunde auf. | Madrid. (apa) Er war "Caudillo de Espana por la Gracia de Dios" ("Führer Spaniens von Gottes Gnaden"). Dennoch segnete Francisco Franco am 20. November 1975 im 83. Lebensjahr das Zeitliche. Gleichzeitig mit seinem Tod ging die seit 1939 währende Diktatur zu Ende. Der folgende Übergang zur Demokratie ("Transicion") verlief dann so konfliktfrei, dass sich Spaniens Jugend 30 Jahre nach seinem Ableben die Frage stellt: "Wer war eigentlich Franco?". So provokant formulierte es neulich die Zeitung "El Pais".
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Pakt des Schweigens
Das liegt hauptsächlich am Pakt des Schweigens, den Rechte wie Linke, also Sieger wie Verlierer des Bürgerkriegs von 1936-39, nach dem Ende des Franco-Regimes geschlossen hatten. Er hielt fast bis in die Gegenwart. Erst in den vergangenen Jahren brachen die alten Gräben wieder auf. Bereits zur Zeit des konservativen Premiers Jose Maria Aznar (Volkspartei/PP) wurde vermehrt mit der Suche nach Massengräbern aus der Zeit der "Guerra Civil" begonnen, womit in beiden politischen Lagern eine rege Diskussion zum Thema Vergangenheit in Gang gesetzt wurde. Nachdem aber die Sozialisten im Zuge der Wirren nach den Terroranschlägen vom 11. März 2003 auf Vorortezüge in Madrid die Parlamentswahlen gewannen, hat sich ein neuer Kulturkampf herausgepellt.
Zwar musste mit dem ehemaligen Minister Manuel Fraga mittlerweile das letzte aktive Fossil aus der Franco-Ära vorerst seinen Abschied nehmen - er hatte im Juni das Amt des Regierungschefs der autonomen Region Galicien in Nordwestspanien an den Sozialisten Emilio Perez Tourino verloren, spekuliert aber bereits wieder mit einem Sitz im Parlament von Madrid -, doch hat sich die Politszene mittlerweile wieder zunehmend polarisiert. Ein Umstand, der freilich auch dazu beiträgt, den Mantel des akkordierten Schweigens über die Franco-Ära weiter zu lüften. Die spanischen TV-Stationen übertrumpfen sich derzeit jedenfalls mit einschlägigen Reportagen.