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Francos Schatten wird kürzer

Von Rainer Mayerhofer

Analysen

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Drei Prozesse hatte Spaniens Höchstgericht gegen Richter Baltasar Garzon wegen Rechtsbeugung und Amtsanmaßung angesetzt, um ihn aus seinem Beruf zu drängen. Nachdem das bereits mit dem ersten Urteil gelungen war, kam es im zweiten Prozess zu einer Einstellung und am Montag im dritten Verfahren zu einem Freispruch.

Dass Garzon gerade in dem politisch brisanten Verfahren rund um die Korruptionsaffäre, in die führende Politiker der konservativen Volkspartei verwickelt sind, verurteilt wurde, sehen viele in Spanien als politisches Komplott. Garzon war vorgeworfen worden, die Abhörung von Gesprächen inhaftierter Korruptionsverdächtiger mit Anwälten angeordnet zu haben, wobei er in den Verhandlungen darlegte, dass ebendiese Anwälte Teil eines weit gespannten Korruptionsnetzes waren. Die Höchstrichter verurteilten ihn wegen Rechtsbeugung zu einem elfjährigen Berufsverbot, was für den 56-Jährigen ein Ende seiner Richter-Karriere bedeutet. Viele in Spanien vermuten, dass mit diesem Urteil ein unbequemer Richter aus politischen Motiven kaltgestellt wurde.

Die Einstellung des zweiten Verfahrens, bei dem es darum ging, ob Garzon ein Verfahren gegen eine Bank zu Recht oder Unrecht eingestellt hatte, war allgemein erwartet worden.

Jetzt wurde Garzon aber in dem dritten Verfahren freigesprochen, das rechtsextreme Kreise gegen ihn angestrengt hatten, weil er Untersuchungen über Verbrechen während der Franco-Diktatur geführt hatte. Dieser Freispruch - das Höchstgericht sprach mit sechs gegen eine Stimme zwar von "Fehlern" Garzons, die aber "juristisch vertretbar" seien -, hat Spaniens Justiz vor einer internationalen Blamage bewahrt. In dem Verfahren hatten zahlreiche Angehörige von Franco-Opfern, die noch immer in unbekannten Gräbern verscharrt sind, zugunsten von Garzon ausgesagt. Die erschütternden Auftritte von achtzig- und neunzigjährigen Menschen, denen auch in der Nach-Franco-Ära mit Verweis auf das Amnestiegesetz von 1977 Gerechtigkeit vorenthalten wurde, haben klargemacht, dass auch das demokratische Spanien noch einiges zur Aufarbeitung der Geschichte zu leisten hat.

"Das Höchstgericht hat uns viel Zeit verlieren lassen, und Zeit ist etwas, das die Angehörigen der Opfer nicht mehr haben", sagt der Präsident der "Vereinigung für die Wiedererlangung der historischen Erinnerung", Emilio Silva, der Enkel eines in der Franco-Zeit Verschwundenen.

Auch wenn der Freispruch auf Garzons persönliche Karriere keine Auswirkung hat, könnte er ein Signal für all jene sein, die das Schweigen über die Franco-Jahre brechen wollen.