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Frank Castorf und das Händewaschen

Von Christina Böck

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Es ist ein paradoxes Phänomen. Wenn zum Beispiel die Oma immer gesagt hat, man soll eine Haube aufsetzen, weil man sich sonst verkühlt, und man verkühlt sich dann wirklich nicht, dann sagt man der Oma irgendwann: "Ich verkühl mich eh nie", und verzichtet auf die Haube. Die Oma schüttelt den Kopf und stellt den Inhalator bereit. Die derzeit positive Entwicklung der Infektionskurve der Corona-Pandemie zumindest in Österreich und auch in Deutschland lässt manche ähnlich pubertär reagieren. Die schlimmen Folgen, die prognostiziert wurden, kamen (bei uns) nicht - da waren die Maßnahmen wohl eh gar nicht nötig! Andere logische Erklärung? Ja, gibt’s vielleicht, aber wen kümmert’s.

Theaterregisseur Frank Castorf jedenfalls nicht. Der hat dem "Spiegel" nun ein Interview gegeben, in dem der alte Rebell auch in dieser Situation nicht Halt vor verbalen Prankenschlägen macht. Er wettert gegen die verordnete "gesellschaftliche Pflicht der Rettung vor dem Tod" und möchte sich nicht von Angela Merkel sagen lassen, dass er sich die Hände waschen soll. Nun, das stimmt schon, er sollte es eigentlich selbst wissen. Auch Castorf macht den Denkfehler, die derzeit "guten" Zahlen so zu deuten, dass sie auch ohne drakonische Maßnahmen so wären. Und überhaupt: Menschen sterben halt. Das haben die Leute in Bergamo auch gemerkt. Und jene in den Orten in den USA, in denen sich derzeit die Särge stapeln.

So ein erbärmlicher Horizont ist selbst eines gewohnt provokanten Künstlers nicht würdig.