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Frank im Land, wo die Hühner pecken

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

Alle Großprojekte abseits der Auto-branche scheiterten. | Stronach-Biograph: "Der Größentick zieht in Österreich nicht." | Wien. Ist das Land zu klein, waren die Gemüter zu engstirnig oder sind Frank Stronachs Visionen für Österreich einfach zu groß? Fakt ist: Es steht weder eine 150 Meter hohe Weltwunderkugel in Ebreichsdorf, noch hat die dort gebaute Rennbahn einen Pferdeboom ausgelöst. In Rothneusiedl, am Stadtrand Wiens, steht kein Mega-Einkaufszentrum und kein Fußballstadion. Den Fernsehkanal für Sportwetten gibt es nicht - und weder Austria Wien noch Wiener Neustadt spielen im erlauchten Kreis der besten Fußballklubs Europas mit.


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Wie kommt es, dass der Selfmade-Milliardär just in seinem Heimatland mit seinen Aufsehen erregenden Aktivitäten abseits des Kerngeschäftes glorreich scheiterte? Stimmt Stronachs Lieblingspointe von der goldenen Regel ("Wer das Gold hat, macht die Regel") womöglich gar nicht?

"Stronach hat sich für einen Midas gehalten, der er natürlich nicht ist", begründet der deutsche Stronach-Biograph Norbert Mappes-Niediek im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" die überschaubaren Erfolge. Das liege allerdings nicht allein an Österreich: "Die Ideen abseits des Kerngeschäfts sind ihm auch in Kanada missglückt: Die Pferde liefen teils ganz gut, aber das Entertainment, von Edelrestaurants bis Lifestyle-Zeitungen, hinkte immer auf beiden Beinen."

Stronach sei eben durch und durch Kanadier und habe die österreichische Mentalität nicht durchschaut: "Der Größentick ist in Österreich überhaupt nicht anzutreffen - das kommt hier noch viel weniger vor als in anderen europäischen Ländern", sagt Mappes-Niediek.

Stolz des Handwerkers

Da erscheint Stronachs großer Erfolg in der Autoindustrie auf den ersten Blick fast unerklärlich. Sein kritischer Biograph sieht diesen sehr wohl auch im Lebenslauf des gebürtigen Steirers begründet. Während sich viele Konkurrenten an der Finanzwelt orientieren, kennt der Austrokanadier alle Ebenen der Branche. Der handwerkliche Stolz des Werkzeugmachers habe Stronach bei den Kunden sehr beliebt gemacht - und letztlich das Qualitätsimage von Magna ermöglicht.

Geholfen hat überdies Stronachs ausgeprägte Allergie gegenüber Formalitäten und Bürokratie. Viele andere Zulieferer, die aus Großkonzernen ausgegliedert wurden, hatten Speck angesetzt; Magna hielt die Verwaltung schlank.

Stronach selbst erklärte 1997, er hätte in Österreich nicht erfolgreich sein können, weil ihm das Geld für die Stempelmarken gefehlt hätte. Sein Biograph sieht ein anderes Problem: "Österreichs Industrie und Bankenlandschaft war in den 1950ern und 60ern so staatsdominiert, dass für einen einzelnen Unternehmer wenig zu reißen war."

Die Übernahme von Steyr Daimler Puch im Jahr 1998 sei bezeichnend für Stronachs Geschäftserfolg: "Er ist vom Typ her ein Osttycoon. Man könnte ihn auch als Privatisierungsgewinner bezeichnen: Er kam zu einer Zeit nach Österreich zurück, als hier wie in der ehemaligen Sowjetunion große Deals anstanden."

Standorte, Aufträge, Widmungen, Subventionen: Kaum ein anderer Wirtschaftssektor ist so eng mit der Politik verwoben wie die Autoproduktion. Stronach bespielt diese Klaviatur höchst erfolgreich. Magna entwickelte sich so zum Durchhaus für glücklose Politiker: letzter Zugang war der frühere Thüringer Ministerpräsident Dieter Althaus, in Österreich durch einen tödlichen Skiunfall bekannt.

Der Polit-Netzwerker

In Österreich blicken der steirische Ex-Landesrat Herbert Paierl, Ex-Minister wie Mathias Reichhold oder Karl-Heinz Grasser ebenso auf eine Magna-Vergangenheit zurück wie der frühere FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler oder SPÖ-Geschäftsführer Andreas Rudas. Ex-Kanzler Franz Vranitzky ist immer noch Mitglied im Magna-Board.

Stronach reagierte - höchst unösterreichisch - nie beleidigt auf Abfuhren. Mit einer Ausnahme: dem Fußball-Engagement, wo er der Gesellschaft etwas zurückgeben und der Jugend Ertüchtigung und Ehrgeiz nahebringen wollte. "Bei Austria Wien haben ihn viele kräftig über den Tisch gezogen", sagt Mappes-Niediek. Just dort versagte sein Händchen für die Personalpolitik. Stronach hatte die Devise ausgegeben: "Wenn du mit den Adlern kreisen willst, kannst du nicht mit den Hühnern pecken." Offenbar wollte er ein wenig geliebt werden: Als die "Stronach raus"-Rufe der Fans lauter wurden, ergriff er die Flucht. Mappes-Niediek: "Er hat gedacht, ich setze Geld ein, wir gewinnen und alle lieben mich. Aber das funktioniert in Österreich nicht. Zumal es hier eine merkwürdige Affinität zum Verlieren gibt."