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Nach Zustimmung des Gemeinderats muss Gericht Spekulationsgeschäft prüfen.
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St. Pölten. Im Gemeinderat der Niederösterreichischen Landeshauptstadt wird es Dienstag hoch hergehen. Nach der öffentlichen Budgetdebatte müssen die Stadtpolitiker in einer nicht öffentlichen Sitzung über eine brisante Klage gegen die Raiffeisen-Landesbank (RLB) Niederösterreich-Wien abstimmen. Im Mittelpunkt des Rechtsstreits steht ein angeblich nicht rechtswirksames Derivatgeschäft, das der Stadt Sankt Pölten laut derzeitiger Lage Millionen Euro kosten dürfte.
Für die Klage wird sich eine Mehrheit im Gemeindeparlament finden, denn die SPÖ hat 56,8 Prozent bzw. 25 der 42 Sitze, gefolgt von der ÖVP mit elf Mandaten, der FPÖ mit vier und den Grünen mit zwei Mandaten. Wie die "Wiener Zeitung" vergangenen Mittwoch exklusiv berichtete, hat der St. Pöltner Finanzausschuss bereits grünes Licht für die Klage gegeben. "Ich habe in den vergangenen 15 Jahren noch nicht erlebt, dass etwas, was im Ausschuss beschlossen wurde, von der SPÖ im Gemeinderat nicht beschlossen wird", sagt VP-Stadtrat Bernhard Wurzer. Auch Martin Koutny, Pressesprecher von Sankt Pölten, geht von einem entsprechenden Beschluss aus. Wie im Klagsfall der Stadt Linz gegen die Bawag stehen auch hier Euro-Franken-Kurswetten im Mittelpunkt, die Sankt Pölten großes Kopfzerbrechen bereiten. Denn dieser sogenannte Franken-Swap-Vertrag läuft noch 17 Jahre, also bis ins Jahr 2028. Zur Erklärung: Sankt Pölten hatte mit diesem Swap Zinszahlungen für Kredite abgesichert. Dem Vernehmen nach entwickelte sich die Kurswette seit Juni 2010 für die Stadt negativ, weil der Kurs des Euro unter der Marke 1,41 Franken liegt. Bis September 2011 soll Sankt Pölten diesen Swap-Verlust durch ein weiteres Derivatgeschäft abgesichert haben, dieser Vertrag soll aber ausgelaufen sein. Künftig könnte die Stadt zumindest drei bis dreieinhalb Millionen Euro pro Jahr berappen müssen, um den Swap-Vertrag einhalten zu können. Bis zum Laufzeitende dürften somit zumindest 50 bis 60 Millionen Euro zusammenkommen. Die tatsächlichen Kosten hängen vom weiteren Frankenkurs ab, der derzeit 1,23 Euro beträgt.
Zwei Möglichkeiten
Indes hat die Landeshauptstadt die renommierte Wiener Anwaltskanzlei Kraft & Winternitz engagiert, um gegen das angeblich nicht rechtswirksame Spekulationsgeschäft zu klagen. Vor allem fehlende Genehmigungen der Gemeindeaufsicht sollen dabei ins Feld geführt werden. Die RLB NÖ-Wien weist den Vorwurf zurück.
"Ein Ausstieg wäre möglich, aber er kostet je nach Kurswert einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag", sagt Wurzer. "Ein Ausstieg wäre für Sankt Pölten existenzgefährdend. Der Frankenkurs ist so niedrig, dass jeder Ausstieg jetzt ein Hasard wäre." Nachsatz: "Ich könnte aber auch hergehen, und sagen, wir zahlen unsere jährlichen Zinsen und beten, dass der Franken wieder die Marke 1,41 erreicht." Es stelle sich aber die Frage, ob sich der Kurs bald drehen wird, und ob die Zahlungen dann noch überhaupt ausgeglichen werden können. Laut Wurzer hat Bürgermeister Matthias Stadler die Gemeinde zu spät über die Swap-Verluste informiert, obwohl es "ein begleitendes Risiko-Controlling bei diesem Derivatgeschäft gab. Dem Bürgermeister ist wöchentlich berichtet worden." Stadler war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.