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Frankreich als Lebensversicherung

Von Walter Hämmerle

Politik

Eufor-Kommandant fordert weitere Luftkapazitäten. | Tschad-Problem kann nur regional gelöst werden. | Es hat noch selten einer militärischen Operation gut getan, wenn die Politik mit Ansagen vorprescht. Politiker konzentrieren sich auf verkaufstaugliche Ziele - und vergessen dabei nur zu gerne auf die dafür notwendigen Mittel.


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Auch die Europäische Union ist bei der Tschad-Mission vor Monaten vollmundig vorgeprescht - und letztlich nur haarscharf an einer veritablen Blamage vorbeigeschrammt. Die Mission zum Schutz hunderttausender Flüchtlinge drohte an fehlenden Luftraumkapazitäten, insbesondere an wüstentauglichen Helikoptern, zu scheitern. Wie haarscharf dieses Scheitern vermieden wurde, verdeutlichen die Aussagen des irischen Eufor-Kommandanten Pat Nash von Dienstag, der vehement auf weitere Kapazitäten für Luftraumtransporte pochte: "Wir haben genug Bestände, um die Operation zu starten und Truppen aufzustellen, aber die Generierung von Streitkräften geht weiter", erklärte Nash in Brüssel.

Dass die Eufor-Mission nun mit zweimonatiger Verspätung endlich anlaufen kann, ist Frankreich zu verdanken. Paris, von dem die Initiative zum Tschad-Einsatz im Sommer ausging, stellte schließlich das notwendige Fluggerät zur Verfügung. Womit wir schon bei der ersten Lektion aus dem beinahe-Scheitern der Tschad-Mission wären: Der Staat, der die politische Initiative für eine Mission ergreift, muss auch im militärischen Bereich die Führung übernehmen.

Wer fordert, muss auch führen

Genau das jedoch versuchte die EU die längste Zeit zu vermeiden. Aufgrund des traditionellen französischen Engagements im Tschad - Truppen stützen das Regime von Präsident Idriss Deby gegen Rebellen - fürchtete man um die Neutralität der Mission im Auftrag der UNO, sollte Paris auch die militärische Führung übernehmen. Deshalb fungiert der Ire Nash als nomineller Kommandant, obwohl Frankreich mit 2100 Soldaten das mit Abstand größte Kontingent der insgesamt rund 3700 Soldaten stellt. Der Rest teilt sich auf weitere 13 EU-Nationen auf.

Aufgrund der hitzigen innenpolitischen Diskussion über die Beteiligung österreichischer Soldaten strich Verteidigungsminister Norbert Darabos - neben dem humanitären Charakter - immer wieder die Neutralität der Eufor-Truppen im inner-tschadischen Konflikt hervor. Die Opposition, und hier vor allem die Grünen, bezeichneten die führende Rolle Frankreichs stets als massive Gefahr für die Sicherheit der Österreicher. Die Rebellen würden, so lautet hier die Argumentation, nicht zwischen Franzosen und anderen Europäern unterscheiden.

Frankreich der beste Schutzschild

Tatsächlich dürfte es sich genau umgekehrt verhalten. So angefeindet die Franzosen im Tschad auch sein mögen: In den Jahrzehnten ihrer militärischer Präsenz wurde noch kein französischer Soldat in Auseinandersetzungen mit Rebellen getötet, erklärt ein österreichischer Sicherheitsexperte. Der Respekt vor der überlegenen Feuerkraft der Europäer war bisher immer zu groß. Von dieser scheinbaren Unantastbarkeit der Franzosen im Tschad profitieren nun die anderen Europäer - und eben auch die österreichischen Soldaten. Die starke Beteiligung Frankreichs ist so gesehen ein Schutzschild, um die eigentliche Aufgabe - den Schutz der hunderttausenden Flüchtlinge - erfüllen zu können.

Leicht wird das ohnehin nicht werden. Zu vielschichtig sind die Probleme der Region. Da wären zunächst einmal die internen Schwierigkeiten des Tschad: Die knapp 10 Millionen Einwohner teilen sich auf rund 200 Ethnien auf. Dagegen ist die religiöse Aufteilung in 55 Prozent Muslime, 30 Prozent Christen und 15 Prozent Animisten fast schon wieder ein Integrationsfaktor; der jedoch im Angesicht von mehr als 80 politischen Parteien, die fast ausschließlich auf ethnischer Basis agieren, im wahrsten Sinn wieder zu Staub zerfällt.

Als wären die internen Probleme nicht groß genug, werden die Sorgen des Tschads noch durch Entwicklungen außerhalb der Grenzen multipliziert. In erster Linie geht es dabei um die Darfur-Krise im Sudan, wo die Zahl der Flüchtlinge in die Millionen geht. Der Großteil der im Tschad zu schützenden Menschen stammt aus Darfur.

Sudan: Eine tickende Zeitbombe

Für die Regierung des Sudans hat eine Lösung für Darfur derzeit aber keine Priorität. Ihr ist der Konflikt zwischen dem islamischen Norden und dem christlichen Süden um vieles wichtiger. Dieser hat neben der ethnisch-religiösen Dimension nämlich auch eine ökonomische: Das für Khartum so kostbare Öl findet sich ausschließlich im Süden.

Und als trüge dieser Bürgerkrieg nicht schon genug Sprengkraft in sich, ist darin noch eine weitere Zeitbombe eingebaut: Für 2011 ist im Süden eine Volksabstimmung über eine Abspaltung angesetzt. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, wie die ausgeht. Die islamische Regierung in Khartum wird den ölreichen Süden aber sicher nicht freiwillig ziehen lassen. Das schwarze Gold würde andernfalls nicht mehr wie bisher nach Norden - über Khartum und Port Said ans Rote Meer -, sondern über den Süden in Richtung Indischer Ozean abfließen.

Eine solche Entwicklung hätte natürlich Folgen für all jene Staaten, die in der Region ihre Finger mit im Spiel haben. So stützt etwa das Rohstoff-hungrige China das islamische Regime des Sudan. Ohne Öl verlöre der Norden aber seinen wichtigsten Alliierten. Im christlichen Süden wiederum treibt sich Libyens Staatschef Muammar Gaddafi herum. Eine weitere militärische Eskalation ist angesichts der angesetzten Volksabstimmung also wohl nur eine Frage der Zeit.

Es ist diese komplizierte Gemengelage, welche die Erfolgsaussichten der auf ein Jahr begrenzten Tschad-Mission gefährden. Die Probleme Afrikas lassen sich, wenn überhaupt, nicht so schnell lösen. Die Frage wird sein, was macht Europa in einem Jahr?