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Frankreich: Chaos durch Streik

Von WZ Online

Europaarchiv

In Frankreich sind Millionen Beschäftigte trotz eines neuen Gesetzes, das den bisher freien Pfingstmontag zu einem normalen Arbeitstag macht, zu Hause geblieben. Insgesamt folgte rund die Hälfte der Arbeitnehmer entsprechenden Streikaufrufen der Gewerkschaften. Damit demonstrierten die Franzosen zwei Wochen vor dem Referendum über die EU-Verfassung erneut ihre Unzufriedenheit.


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Briefträger, Busfahrer und Lehrer gingen nicht zur Arbeit. In fast 90 Städten, darunter Bordeaux, Marseille, Lille und Straßburg, wurden die meisten Busse und Bahnen bestreikt. Auch viele Lehrer folgten dem Streikaufruf. Zahlreiche Eltern behielten ihre Kinder zu Hause. In Paris blieb ein Verkehrschaos jedoch aus. Züge und U-Bahnen verkehrten fast normal, ebenso wie Züge im übrigen Frankreich. Am Flughafen Orly kam es wegen eines Fluglotsenstreiks zu Verspätungen.

Seit Wochen hatte der Widerstand gegen den zusätzlich "verordneten Arbeitstag" zugenommen. Die französische Regierung hatte diesen "Solidaritätstag mit alten Menschen" im vergangenen Jahr von ihrer konservativen Mehrheit im Parlament verabschieden lassen. Die dadurch eingenommenen zwei Milliarden Euro soll für eine verbesserte Altenpflege eingesetzt werden.

Gewerkschaften hingegen sprachen von "Zwangsarbeit" und warfen der Regierung vor, keinen Dialog mit den Sozialpartnern über diese Solidarmaßnahme geführt zu haben. Nach Umfragen hat dieser Arbeitskonflikt das Lager der Gegner der EU-Verfassung gestärkt. Während in den letzten Wochen das Ja mehrheitsfähig wurde, ergab eine Umfrage der Sonntagszeitung "Le Journal du Dimanche" wieder eine Mehrheit von 55 Prozent, die am 29. Mai mit Nein stimmen wollte.

Offen blieb, ob die französische Regierung, die um die Zustimmung beim Referendum über die EU-Verfassung in zwei Wochen fürchtet, an ihrem Projekt festhält. Die Ergebnisse dieses Tages würden in den kommenden Wochen überprüft, sagte Regierungssprecher Francois Copé dem Rundfunksender Europe 1. An dem Prinzip eines Solidaritätstages werde nicht gerüttelt, doch die Durchführung könnte geändert werden.

Auslöser des Solidaritätstages war die Hitzewelle vor zwei Jahren, als im Monat August 15 000 meist ältere Menschen starben. Damals, als noch kein konkreter Tag im Gespräch war, waren nach Umfragen noch 54 Prozent der Franzosen bereit, einen Feiertag zu opfern.

Auch in Deutschland wird die Abschaffung des Pfingstmontags als arbeitsfreier Feiertag diskutiert. Gegen entsprechende Vorschläge der Wirtschaftsverbände, die "zu viele Feiertage und zu viel Urlaub" in Deutschland sehen, regte sich umgehend Widerstand von der Evangelischen Kirche sowie SPD und Grünen.

In Spanien, Portugal, Italien oder Tschechien ist der Pfingstmontag kein Feiertag. In Polen, Litauen, Lettland und Estland wird an diesem Tag ebenfalls normal gearbeitet. Ein verlängertes Wochenende gibt es dagegen zu Pfingsten in Österreich, Belgien und den Niederlanden.