Emmanuel Marcon wird als ausgewiesener Pro-Europäer gefeiert - was genau das heißen soll, ist unklar und muss noch ausbuchstabiert werden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Emmanuel Macron hat die erste Präsidentschaftswahlrunde in Frankreich gewonnen. Ein Sieg in der Stichwahl wäre gut: ein junges frisches Gesicht, eine neue Dynamik, die vor allem junge Wähler begeistert hat, ein Bekenntnis zu Europa, wie es von keinem anderen Kandidaten in dieser Form zu vernehmen war.
Vor allem kämen Frankreich und die EU ein weiteres Mal - nach den österreichischen Präsidentschaftswahlen im Vorjahr und der heurigen niederländischen Parlamentswahl - gleichsam mit einem blauen Auge davon. Nach Donald Trump und dem Brexit scheint der Aufschwung der Rechtspopulisten in Europa zunächst einmal gestoppt, zumal sich gleichzeitig die rechtspopulistische AfD auf ihrem Parteitag weiter selbst zerlegt hat. Marine Le Pens "Frexit"-Fantasien würden ganz Europa in eine Achterbahn setzen, dagegen wäre der Brexit ein Ponyritt.
Marcon hingegen wird als der europäische Kandidat gefeiert, als ausgewiesener Pro-Europäer. Was aber genau das heißen soll, ist unklar und muss noch ausbuchstabiert werden, genauer: was Macron tun kann oder tun muss, um europäisch zu sein. Nur Deutschland folgen? Auch Macron hat kurz vor dem Wahlkampf gemeint, Deutschlands wirtschaftliches Übergewicht sei für die Eurozone inakzeptabel. In der Tat werden sowohl die Sparpolitik als auch die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse immer mehr zum strukturellen Problem der Eurozone, unter dem Frankreich ganz besonders leidet: Der Aufstieg des Front National ist auch dieser Politik zu verdanken. Den Sozialisten sind die eigenen Wähler, die Arbeiter, weggelaufen, nachdem allein 2012/2013 rund eine halbe Million Industriejobs den Arbeitsmarktreformen zum Opfer gefallen sind.
Gefeiert wird mit Blick auf die Wirtschaftspolitik Macrons Reformwille. Mit weiteren Arbeitsmarktreformen allein ist den Problemen der Eurozone indes nicht mehr beizukommen. Immerhin war es Macron, der schon im Februar 2015 als Wirtschaftsminister die "Lois Macron", eine Art französische Harz-IV-Gesetzgebung, per Dekret durchgepeitscht hat, und zwar am Parlament vorbei. Dies aber hat die französischen Sozialisten tief gespalten. Es gab drei wichtige linke Kandidaten - neben Macron noch Jean-Luc Mélenchon, eine Art französischen Bernie Sanders, und Bertrand Hamon, den offiziellen Kandidaten des Parti Socialiste - die insgesamt auf knapp 50 Prozent der Wählerstimmen gekommen sind. Damit gibt es de facto eine strukturelle linke Mehrheit in Frankreich. Ob man diese Mehrheit europäisch nutzen kann, um sinnvolle und dringend notwendige institutionelle Änderungen der Eurozone ins Gespräch zu bringen, etwa Überlegungen zur Stärkung ihrer parlamentarischen Legitimität, ist die Frage. Erst dann aber würde Macron Frankreich und Europa wirklich en marche bringen.
Wenn Macron eine Chance haben will, Frankreich aus der politischen Malaise zu holen und darüber hinaus Europa wirklich im Sinne eines Richtungswechsels einen Gefallen tun will, dann jedenfalls nicht als deutscher Pudel - eine Rolle, die schon François Hollande in den Abgrund und Marine Le Pen in den zweiten Wahlgang geführt hat.