Paris. (Apa) Lange Zeit galt er bei den Favoriten im französischen Präsidentschaftswahlkampf als ein harmloser Außenseiter, mittlerweile wurde der zentrumsbürgerliche UDF-Kandidat (Union pour la Democratie Francaise) Francois Bayrou für den konservativen Elysee-Anwärter, Innenminister und UMP-Chef Nicolas Sarkozy, sowie für seine sozialistische Rivalin Segolene Royal (PS) zu einer wahren Bedrohung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
In jüngsten Umfragen erreichte der 55-Jährige 17 bis 19 Prozent für den ersten Wahldurchgang am 22. April. Zwar liegt er damit noch gute zehn Prozent hinter Sarkozy und Royal, allerdings setzte er sich mit acht bis neun Prozent Vorsprung vor dem Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen (Front National) klar als der "dritte Mann" durch.
Was in den Rängen der UMP und PS für besonders große Aufregung sorgte, war Bayrous Vorschlag, im Falle eines Wahlsiegs eine "Große Koalition" zu bilden. Er schloss auch nicht aus, einen Sozialisten als Regierungschef mit konservativen Ministern - oder umgekehrt - einzusetzen. Bayrou sprach laut aus, was viele Franzosen insgeheim denken: "Die Bürger haben die Nase voll von den ewigen Streitereien zwischen links und rechts, sie vertragen die personellen Querelen nicht mehr, sie wollen, dass wir uns gemeinsam an die Arbeit machen, um die Probleme Frankreichs zu lösen", sagte Bayrou jüngst bei einer TV-Sendung von TF1 vor etwa sieben Millionen Zuschauern.
Als es darum ging, das politische Programm des UDF-Chefs zu verurteilen, sprachen Royal und Sarkozy wie aus einem Munde. "Man versucht, die Franzosen daran zu hindern, zwischen zwei Gesellschaftsmodellen, zwischen zwei politischen Visionen zu wählen, die sich gegenüberstehen, und die nicht denselben tief greifenden politischen Entscheidungen entsprechen", attackierte die Sozialistin in einem Radiointerview und Sarkozy echote: "Das haben wir in Frankreich alles sehr gut gekannt. Die ganze Vierte Republik wurde auf der Idee geführt, dass man die Linke und die Rechte zusammenlegen musste. Das ist die Herrschaft der Parteien."
Die beiden Favoriten im Präsidentschaftswahlkampf mochten noch so heftig gegen Bayrous Vorschlag donnern, die öffentliche Meinung urteilte ganz anders darüber. Die "Große Koalition" wurde in einer von der Tageszeitung "Metro" veröffentlichten Umfrage von 37 Prozent der Befragten begrüßt Aus einem Polit-Barometer des Instituts IPSOS geht Bayrou bereits seit mehreren Wochen als "Persönlichkeit der Woche" hervor. Der Zentrumspolitiker erklärte sich unterdessen gegenüber "Le Monde" in der Wochenendausgabe überzeugt, dass sein Vorschlag der "nationalen Einheit jenseits von rechts und links" zu seinem "Elektroschock" bei den französischen Wählern führen werde.
Im Falle eines Wahlsiegs möchte Bayrou bei den nachfolgenden Parlamentswahlen im ganzen Land eine "neuen Präsidentschaftsmehrheit" ins Rennen schicken: Er werde eine Koalitionsregierung ernennen, und diese Regierung werde in jedem Wahlkreis Kandidaten ins Rennen schicken, die sie unterstützen. Der ehemalige Erziehungsminister versprach weiter die Abschaffung von Artikel 49,3 der französischen Verfassung, der es der Regierung erlaubt, einen Gesetzentwurf ohne Parlamentsdebatte durchzusetzen. Überdies sollen künftig die Hälfte der Parlamentssitze nach dem Mehrheitswahlrecht und die Hälfte nach dem Verhältniswahlrecht vergeben werden.