Die Kosten sind zu hoch, das Vertrauen in afrikanische Truppen ist zu gering, daher soll die UNO mit Blauhelmen in die Bresche springen.
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Am Tag nach der Brüsseler Mali-Konferenz bekannte Frankreich, warum es die heiße Kartoffel Mali ehestens den Afrikanern überlassen will: Ein Monat Einsatz von 4000 Soldaten habe 70 Millionen Euro gekostet, jeder weitere Tag komme auf 2,7 Millionen - kein Pappenstiel bei 1,9 Billionen Euro Staatsschulden (90 Prozent des BIP). Bereits am Vorabend der Mali-Konferenz hatte Frankreich den Rückzug seiner Truppen ab März angekündigt.
Nun ersuchte es den Weltsicherheitsrat, eine internationale UNO-Truppe nach Mali zu schicken. Das signalisiert Zweifel an der Kampfkraft jener 8000 Soldaten der westafrikanischen Staatengemeinschaft (Ecowas), die bis Sommer in Mali gestellt sein sollen. Ehe aber eine UNO-Truppe zum Einsatz kommen kann, verstreichen Monate.
Mali bekommt 340 Millionen Euro an internationaler Hilfe. Die Ecowas beziffert den akuten Bedarf mit 710 Millionen. Die Folgekosten sind aber nicht kalkulierbar. Immerhin warnte Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian, man müsse sich auf einen langen Kampf einstellen.
Daran ändern auch jene 450 Spezialisten der EU nichts, die noch im Februar mit dem harten Training der schlecht ausgebildeten malischen 7000-Mann-Armee beginnen. Es braucht Zeit bis zur Einsatzreife.
Frankreich teilte auch mit, die Islamisten hätten französische Militärpatrouillen im weiteren Umfeld befreiter Städte angegriffen. Damit zeichnet sich die Taktik der Islamisten ab. Sie zogen sich nach hinhaltendem Widerstand nun auch aus zwei ostmalischen Kleinstädten zurück, tauschten also Raum- gegen Zeitgewinn. Obschon die Franzosen im unwegsamen Wüstengelände Stützpunkte der Islamisten bombardiert und mehrere hundert Rebellen getötet haben, kontrollieren sie nicht den riesigen Raum zwischen den befreiten Städten. Darauf bauen die Islamisten. Mit einer Kombination aus Guerilla und Terror, Ausweichen, taktischen Rückzügen und Überraschungsangriffen aus dem Nichts binden sie in einem Wüstenkrieg ohne Fronten gegnerische Einheiten. Außerdem verfügen sie über sichere Rückzugsbasen jenseits der sehr porösen Grenze zu den Nachbarstaaten. Diese zeitlich unbegrenzte Bedrohung zehrt an der materiellen und moralischen Kraft der Angegriffenen.
Bliebe noch das Problem der Kampfmoral. Malis Soldaten verdienen 75 Euro, die Islamisten bieten aber Überläufern 150 Euro. Das wirkt, wie ein Beispiel belegt: US-Spezialisten bildeten malische Offiziere in Terror-Abwehr aus. Kurz vor Trainingsabschluss desertierten diese samt Waffen zu den Islamisten.
Die Islamisten können Mali und seine Alliierten nicht besiegen, sondern allenfalls materiell und moralisch auszehren. Sie sind aber bei entsprechendem Aufwand militärisch zu schlagen. Das erfordert nicht nur Geld und Zeit, sondern vor allem von der EU den politischen Einsatzwillen. Denn gerade die EU mutmaßt zu Recht, dass sich in Westafrikas Wüsten ein Zentrum für Terroranschläge der Islamisten in Europa einnistet. Dennoch bleibt das strategische Grundproblem: Der radikale Islamismus lässt sich militärisch nicht ausrotten.