Der Partei von Emmanuel Macron gelang vor der zweiten Runde der Parlamentswahlen ein wichtiger Triumph und die versprochene Neuordnung der Politik-Landschaft. Sehr zum Leidwesen der - bisher - etablierten Parteien.
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Paris. Das Bild, das Benoît Hamon am Montag nach dem Wahltag über Twitter verbreitete, dürfte die Gefühlslage vieler Schicksalsgenossen verschiedener politischer Lager ausdrücken, die ebenfalls frühzeitig gescheitert sind. Sisyphos zeigt es, der sich mühsam, aber vergeblich einen Berg hochkämpft - trotz seiner mächtigen Muskeln. Solche fehlen allerdings Hamon und seiner ebenso kraftlosen Partei, die noch vor fünf Jahren alle Macht innehatte und nun ein Desaster erlebte.
Nachdem er als Kandidat der Sozialisten bereits bei den Präsidentschaftswahlen mit nur 6,4 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis einfuhr, qualifizierte sich Hamon bei der Parlamentswahl nicht für die zweite Runde am nächsten Sonntag. Sein Ergebnis lag knapp unter den dafür erforderlichen 12,5 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten in seinem Bezirk. So gehört er zu den vielen Bewerbern der - bislang - etablierten Parteien, die aussortiert wurden zugunsten von Kandidaten von "La République en marche" (REM), der Partei des Präsidenten Emmanuel Macron. Eine Überraschung ist deren Erfolg nicht, die mit der Zentrumspartei MoDem als Partner 32,2 Prozent der Stimmen erhielt. Das Ausmaß des Triumphs beschreiben die Medien als "Erdbeben" oder "Tsunami", die Frankreichs politische Landschaft dauerhaft verändern dürften.
Von den insgesamt 577 Sitzen in der Nationalversammlung könnte REM am Sonntag zwischen 400 und 440 gewinnen. Es wäre nicht nur die absolute, sondern eine überwältigende Mehrheit, mit einer maximal geschwächten Opposition. Die konservativen Republikaner mit ihren Verbündeten rechnen noch mit 80 bis 132 Sitzen, die Sozialisten mit ihren Partnern - darunter Europa-Ökologie/Die Grünen - mit 15 bis 25, die radikale Linke hat Aussicht auf 13 bis 23 Sitze und der Front National auf zwei bis fünf. Dessen Erfolgsserie der vergangenen Jahre wurde abrupt gestoppt.
Eine positive Dynamik verzeichnet nur die Formation, die Macron vor gut einem Jahr gründete. Viele Politik-Novizen stellte REM auf, verhältnismäßig junge Kandidaten und rund die Hälfte weiblich - Erneuerung lautete die Devise. Genau das wünsche sich eine große Zahl von Franzosen, sagte Regierungssprecher Christophe Castaner: "Sie trafen eine klare Entscheidung, dem Präsidenten eine Mehrheit zu geben und mit einem alten System Schluss zu machen. Das geht einher mit einer Form der Brutalität für zahlreiche ausscheidende Abgeordnete, die durchaus verdienstreich waren. Aber der Wille, ein neues Kapitel aufzuschlagen, reißt alles mit sich mit."
Bestens platziert sind hingegen Vertraute des Präsidenten. Das gilt sogar für den Minister für territorialen Zusammenhalt, Richard Ferrand, der unter Druck geraten ist, weil er vor ein paar Jahren als damaliger Chef einer Regionalkrankenkasse seiner Partnerin ein lukratives Immobiliengeschäft ermöglicht haben soll.
"Remoralisierung"der Politik
Mit einer absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung wird Macron seine Projekte relativ problemlos umsetzen können: Noch in dieser Woche beginnen die Beratungen für ein Gesetz zur "Moralisierung" der Politik als Reaktion auf die Skandale wegen Korruption oder Scheinbeschäftigung von Familienangehörigen. Folgen sollen ein Sicherheitsgesetz, um Regeln des Ausnahmezustands darin aufzunehmen, sowie Macrons Kern-Reform zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.
Die Gefolgsleute des 39-jährigen Staatschefs sehen den vorläufigen Ausgang der Parlamentswahl als eindeutige Legitimierung dieses Weges, auch wenn die Enthaltung mit 51,3 Prozent historisch ist. Sie zeige, dass es "keine Mehrheit für die Zerstörung des Arbeitsgesetzbuches, die Beschränkung von Freiheiten, die ökologische Verantwortungslosigkeit oder das Verhätscheln der Reichen" gebe, warnte der radikale Linke Jean-Luc Mélenchon, der am Sonntag um den Sieg in Marseille kämpft.
Premierminister Philippe gab zurück, die Rekord-Enthaltung sei "eine Folge der Demobilisierung bestimmter politischer Formationen, die nach der verlorenen Präsidentschaftswahl keinen neuen Schwung fanden". Der Macron’sche Tsunami nahm ihnen jeglichen Wind aus den Segeln.