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Frankreich: Präsidentenpartei steht vor Wahldebakel

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Europaarchiv

Stimmungstest für Nicolas Sarkozy. | Bürgerlichem Lager droht Verlust von Elsass und Korsika. | Paris. Der Sonntag wird wohl ein schwarzer Tag für Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy - und ein roter für sein Land. Bei der ersten Runde der Regionalwahlen sehen Prognosen eine herbe Niederlage für die Regierungspartei UMP und einen Erfolg für die oppositionellen Sozialisten (PS) voraus.


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Der zweite Wahlgang in einer Woche entscheidet dann endgültig darüber, ob die konservative UMP auch ihre letzten beiden Bastionen, das Elsass und die Insel Korsika, verliert. Schon jetzt beherrscht die PS 20 der 22 innerfranzösischen Regionen und auch in den vier Überseeregionen spielen die Konservativen kaum eine Rolle. Die Wahl gilt als Stimmungstest. Und die Stimmung hat sich gegen den Präsidenten und seine Regierung gedreht.

Sarkozy bemüht sich, die nationale Bedeutung des Urnengangs zu relativieren: "Regionale Wahlen, regionale Folgen - nationale Wahlen, nationale Folgen." Eine Regierungsumbildung, mit der seine Vorgänger gerne einen Neuanfang zu signalisieren versuchten, schließt der Staatschef aus. Gleichzeitig hielt er seine Ankündigung, sich aus dem Regionalwahlkampf herauszuhalten, nicht ein. Persönlich reiste Sarkozy in die Provinz und gab nun dem regierungsnahen "Figaro Magazine" ein ausführliches Interview. Reiner Zufall, dass es gestern und damit zwei Tage vor dem ersten Wahlgang erschien? Und zwar in einem Blatt, das vor allem Stammwähler der Präsidentenpartei der abonniert haben?

Sarkozys Anhänger haben sich seit seiner Amtsübernahme vor zweieinhalb Jahren zunehmend abgewandt. Sie werfen ihm selbstherrliche Alleingänge und mangelndes Gespür vor. So setzte seine Partei auf Wahlkampfthemen wie innere Sicherheit, Einwanderung und nationale Identität; weit mehr aber beschäftigt die Franzosen die Wirtschaftskrise und deren Folgen. Die Arbeitslosenquote stieg auf über zehn Prozent an, Betriebsschließungen und Personalabbau fördern ein Klima der Zukunftsangst, ebenso wie die zahlreichen Reform-Baustellen, die der ehrgeizige "Hyper-Präsident" aufriss. Täglich demonstrieren Ärzte und Krankenschwestern, Juristen, Lehrer und Erzieherinnen auf den Straßen. Als Reaktion überraschte Sarkozy nun mit der Ankündigung einer "Reform-Pause" - Ende 2011 und damit im Vorfeld der nächsten Präsidentschaftswahl im darauf folgenden Jahr.

Für diese bringen sich auch die Sozialisten und speziell Parteivorsitzende Martine Aubry in Stellung. Nach einer quälend langen Phase der Orientierungslosigkeit und parteiinterner Machtkämpfe verhelfen die positiven Prognosen der PS zu neuem Selbstbewusstsein. Allerdings könnte ihr das südfranzösische Languedoc-Roussillon verlorengehen: Die Gegenliste, die Aubry gegen den amtierenden sozialistischen Regionalratspräsidenten George Frêche aufstellte, nachdem dieser mit rassistischen Äußerungen in die Schlagzeilen geraten war, liegt in Umfragen zurück. Gefährlich werden könnten der PS auch die Grünen, die bei der Europawahl im Juni mit einem sensationellen Ergebnis beinahe zweitstärkste Kraft geworden wären. Von der Schwäche der Regierungspartei will nicht zuletzt auch der rechtsnationale Front National profitieren: Die Partei von Jean-Marie Le Pen hofft, in etwa der Hälfte der Regionen über die Zehn-Prozent-Hürde zu springen und in die Stichwahl einzuziehen.