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Frankreich wartet auf seinen neuen Weg

Von Alexander U. Mathé

Europaarchiv

Probleme von Wirtschaftskrise bis EU-Verfassung. | Die Kandidaten brechen mit ihren Parteien. | Paris. Ganz Europa blickt nach Frankreich. Wenn am Sonntag die Grande Nation ihr neues Staatsoberhaupt kürt, läutet sie damit ein neues Kapitel ein - für ihr Land und für ihren Kontinent. Die anhaltende Wirtschaftskrise, eine horrende Staatsschuld, hohe Arbeitslosigkeit und das "non" der Franzosen zur EU-Verfassung haben erste Stimmen laut werden lassen, die vom "neuen kranken Mann Europas" sprechen.


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Doch - wie sollte es anders sein - sowohl der konservative Kandidat Nicolas Sarkozy als auch seine sozialistische Konkurrentin Ségolène Royal wissen genau, wie sie den Karren aus dem Dreck ziehen werden. Beide versprechen wirtschaftliche und soziale Reformen, dazu noch einen neuen Aufbruch in Europa.

Bessere Wirtschaft

Sarkozys Strategie ist es, den Arbeitsmarkt flexibler zu gestalten. Motto: "Wer mehr arbeitet, verdient auch mehr". Die in Frankreich vorherrschende 35-Stunden-Woche soll de facto abgeschafft, dafür Überstunden von Abgaben befreit werden. Zusätzlich will er den Staatsapparat abspecken und nur jeden zweiten Beamtenposten nachbesetzen.

Royal wiederum will die soziale Sicherheit für Unternehmer verbessern und das Mindesteinkommen auf 1500 Euro anheben. Dafür müssen profitable Unternehmen, die Angestellte entlassen, ihre erhaltenen staatlichen Subventionen zurückzahlen. Gleiches gilt für Unternehmen, die Teile ihres Geschäfts ins Ausland verlagern.

Doch die Wirtschaft allein ist nicht das einzige Problem, das auf den künftigen Präsidenten zukommt, das haben die gewalttätigen Ausschreitungen in den Vorstädten französischer Metropolen gezeigt.

Mehr Sicherheit

Der Konservative hat hier eine "Null-Toleranz"-Strategie ausgerufen. Der Ex-Innenminister will den Jugendschutz für Gewalttäter auf 16 Jahre senken und die Strafen für Wiederholungstäter drastisch erhöhen.

Auch die Sozialistin fährt beim Thema Kriminalität härtere Geschütze auf. Jugendliche Straftäter sollen in paramilitärischen Lagern gedrillt werde.

Europa, was nun?

Um einen Ausweg aus der EU-Verfassungskrise zu finden, schlägt Sarkozy nach dem gescheiterten Referendum über die EU-Verfassung vor, noch in diesem Sommer vom Parlament einen "Mini-Vertrag" zu verabschieden lassen. Mit diesem sollen Europas Institutionen unter anderem durch die Einführung von Mehrheitsentscheidungen besser funktionieren.

Auch Royal hält eine Reform der EU-Institutionen für unausweichlich. Sie will einen entsprechenden Vertrag aushandeln, der um soziale Komponenten wie Arbeitsrecht oder Umweltthemen erweitert wird. Der neue Entwurf soll 2009 zu den Europawahlen dem französischen Volk nochmals zur Abstimmung vorgelegt werden.

Neuer Weg

Abseits ihrer Versprechen stehen die beiden Kandidaten aber vor allem für einen neuen politischen Weg Frankreichs. "Diese Wahl ist einmalig in der Geschichte der 5. Republik. Im Vergleich zu den früheren Wahlen haben wir es mit einer ganz neuen Generation zu tun", sagte Michel Cullin von der Diplomatischen Akademie bei einem Expertengespräch an der Universität Innsbruck.

Nicht nur sind beide im Vergleich zu ihren Vorgängern verhältnismäßig jung. Sie haben sich auch stark von den traditionellen Positionen ihrer Parteien entfernt. Auf der einen Seite ist Sarkozy vielen Parteifreunden viel zu aufbrausend und geschäftig. Dazu kommt noch sein allzu freundlicher Blick über den Großen Teich. Auf der anderen Seite singt Royal lieber die Marseillaise als die Internationale, scheelt mehr zur Sozialdemokratie denn zum Sozialismus und besetzt auch traditionell Rechte Themen. Ein Wandel scheint somit garantiert. Abzuwarten bleibt, ob zum Guten.

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