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Frankreichs außerparlamentarische Opposition will Sarkozys künftige Politik beeinflussen

Von Alexander U. Mathé

Analysen

Fast eine halbe Milliarde Euro kostet Frankreich ein großer Streiktag. Das hat das Pariser Wirtschaftsministerium nach dem Streik im November 2007 errechnet. Auch wenn man bei solchen Zahlen vorsichtig sein muss und davon nicht jeder Euro realistisch sein wird, stellt sich doch die Frage, wie logisch es ist, gegen die Folgen der Finanzkrise zu protestieren, wenn diese dadurch lediglich weiter angeheizt wird. | Sie kämpfen für die Erhaltung von Arbeitsplätzen und Kaufkraft, die öffentlichen Dienstleistungen (die sie am Streiktag übrigens gleichzeitig lahmlegen wollen) und prangern die Krisenpolitik der Regierung an, hieß es offiziell von den Organisatoren des Streiks. Der Subtext ist aber ein anderer: "Wir mögen Sarkozy nicht und wollen auch nicht, dass er Präsident ist." Das ist die eigentliche Forderung der Streikenden.


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Parolen wie: "Sie nehmen unsere Steuern und geben sie den Banken" helfen nicht gerade anzunehmen, dass das Gesagte auch das Gemeinte ist. Schließlich ist es nur schwer zu glauben, dass sich irgendjemand ernsthaft wünscht, dass der Staat ohne mit der Wimper zu zucken eine Bank krachen lässt und damit deren (Klein-)Anleger um ihr Erspartes bringt. Zumindest solange es sich bei den Demonstranten nicht um bedingungslose Wirtschaftsliberale handelt.

Auch ergebnisorientiert betrachtet fällt es schwer, den Streik zu verstehen. Denn Forderungen wie "Kaufkraft erhöhen", "Wirtschaftswachstum ankurbeln" oder "Arbeitsplätze erhalten" sind nicht sofort verhandelbar, wie es sonst die Methode des Streiks ist. Ganz abgesehen davon, dass dieses Verlangen ohnedies im Interesse jeder Regierung ist.

Mit den Protesten ergeht vielmehr die Nachricht der außerparlamentarischen Opposition (die Sozialisten waren bei den Protesten lediglich Trittbrettfahrer) an Sarkozy, dass man ihm bei künftigen politischen Entscheidungen genau auf die Finger schauen wird und nach verhältnismäßig kleinen Demonstrationen in den letzten Jahren noch in der Lage ist, die Massen zu mobilisieren. Es ist eine Warnung vor harten künftigen Eingriffen in die soziale Sicherheit der Franzosen.

So erklärt sich auch die Reaktion Sarkozys, der es mit einer persönlichen Stellungnahme vor den Franzosen nicht eilig hatte. Aus dem Elysee hörte man sonst auch nur, dass man nicht vor dem Streik an sich Angst habe, sondern vor dem, was danach folgt.

Die Schlagkraft des Streiks wurde zur Nebensache. Ganz so gewaltig wie erhofft fiel die Arbeitsniederlegung nämlich nicht aus. Abgesehen von der sehr engagierten französischen Bahn erreichte kaum eine Belegschaft mehr als 25 Prozent Ausfall, was dazu führte, dass der Streik tatsächlich kaum zu spüren war, wie Sarkozy einmal sarkastisch angemerkt hatte, nachdem er den (rechtlich wackligen) Notdienst des öffentlichen Diensts durchgesetzt hatte. Die hunderttausenden Demonstranten und die mediale Wirkung der Proteste hingegen werden Sarkozy noch länger zu denken geben.

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