Paris - Erstmals seit der Wiedereinführung des Pariser Bürgermeisteramtes im Jahr 1977 wurde Sonntag ein Sozialist als Stadtoberhaupt in der französischen Hauptstadt gewählt. Bertrand Delanoe erreichte mit seiner Koalition aus Linken und Grünen 92 der 163 Stadtratsmandate, die zerstrittene Rechte bekam nur 71.
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Der Verlust des Pariser Bürgermeisteramtes wird in Frankreich als herbe Niederlage für Staatspräsident Jacques Chirac gewertet, der vor seiner Wahl zum Staatsoberhaupt 18 Jahre lang Bürgermeister von Paris war.
Auch die drittgrößte Stadt des Landes, Lyon, die traditionell von den Konservativen regiert wurde, fiel in der Stichwahl am Sonntag an die Linke. Dort erreichte der sozialistische Kandidat Gerard Collomb 42 der 73 zu vergebenden Sitze.
Unter anderem konnte die französische Linke auch die Rathäuser in Dijon und in der korsischen Hauptstadt Ajaccio erobern.
Die Freude der Linken über ihre Erfolge in Paris und Lyon war aber nicht ungetrübt. In zahlreichen Provinzstädten scheiterten ihre prominenten Kandidaten. So etwa verlor die amtierende Bürgermeisterin von Strassburg, die frühere Kulturministerin Catherine Trautmann, gegen die UDF-Kandidatin Fabienne Keller. Erziehungsminister Jack Lang verfehlte den Einzug ins Bürgermeisteramt in Blois um 37 Stimmen und Arbeitsministerin Elisabeth Guigou unterlag in Avignon klar der amtierenden neogaullistischen Bürgermeisterin Marie-Jose Roig. Besser erging es ihrer Vorgängerin Martine Aubry, die in Lille mit 49,6 Prozent nur knapp die absolute Mehrheit verfehlte und dem langjährigen Bürgermeister und früheren Regierungschef Pierre Mauroy nachfolgt.
Die Linke verlor u.a. die Bürgermeisterämter in Aix-en-Provence, in Chartres, Dieppe, Nimes, Orleans und Rouen.
In Toulon, wo es bisher einen rechtsextremen Bürgermeister gegeben hatte, setze sich der Rechtsliberale Hubert Falco mit einer satten Zweidrittelmehrheit durch.
In Vitrolles besiegte die amtierende rechtsextreme Bürgermeisterin Catherine Megret, die Ehefrau des von der Front National Le Pens ausgetretenen Bruno Megret, der dem Mouvement National vorsteht, mit 45,32 Prozent knapp den sozialistischen Kandidaten Dominique Tichadou (44,07 Prozent). 201 Stimmen gaben den Ausschlag.
Der sozialistische Premierminister Lionel Jospin räumte Montag ein, dass die Linke einige Misserfolge gehabt habe, über die sie nachdenken müsse. SP-Parteichef Francoise Hollande, der schon im ersten Wahlgang die konservative Hochburg Tulle erobert hatte, meinte, die SP müsse nicht ihre Politik ändern, aber "ihre Art zu regieren anpassen".
Relativ zufrieden zeigte sich RPR-Chefin Michele Alliot- Marie, die meinte, die Rechte habe die Mehrheit im Lande. UDF-Chef Francois Bayrou wies auf die Schlappen von Regierungsmitgliedern bei den Wahlen hin.