Regierung mischt sich aktiv in den Übernahmepoker um Alstom ein - damit ein US-Konzern nicht den Zuschlag erhält.
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Paris. Frankreichs Regierung versucht gar nicht erst, ihre Panik darüber zu verbergen, dass mit Alstom eines der ältesten Unternehmen des Landes amerikanisch werden könnte. Ungeniert poltert Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg, ein bekennender "Protektionist" und Globalisierungsgegner, gegen solch "unpatriotische" Pläne - mögen sie ökonomisch begründet sein oder nicht.
Unmittelbar nachdem sich der US-Mischkonzern General Electric (GE) für eine Übernahme der Kernsparte für Energietechnik (was eine Zerschlagung des französischen Industriekonzerns Alstom bedeutet) öffentlich interessiert gezeigt hat, machte die französische Regierung die Übernahmeschlacht nun zur Chefsache.
Präsident François Hollande empfing gestern, Montag, die Chefs von General Electric sowie von Siemens und der französischen Unternehmensgruppe Bouygues, mit 29,4 Prozent größter Aktionär von Alstom. Am Wochenende war Alstom-Chef Patrick Kron von einer Auslandsreise geholt und mit Blaulicht ins Wirtschaftsministerium gefahren worden. Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg erklärte seine "patriotische Besorgnis" darüber, dieses "Symbol des französischen Erfindergeists" für rund zehn Milliarden Euro großteils in amerikanische Hände abzugeben. Alstom ist weltweit führend in den Bereichen Energie und Verkehr sowie Lieferant von Dampf- und Gasturbinen und Erbauer der Hochgeschwindigkeitszüge TGV für die Staatsbahn SNCF. Die Energiesparte stellt fast drei Viertel des Geschäfts dar.
Zwar ist der französische Staat seit 2006 nicht mehr Aktionär bei Alstom. Dennoch erklärte Montebourg, er werde "angesichts der strategischen Bedeutung für die französische Industrie und Wirtschaft nicht akzeptieren, dass eine Entscheidung überstürzt und ohne die Erörterung alternativer Möglichkeiten" getroffen werde.
Um General Electric auszubremsen, hat die Regierung den deutschen Konkurrenten Siemens um ein Gegenangebot gebeten.
Schaulaufen in Paris
Hollande empfing Montagfrüh GE-Chef Jeffrey Immelt in Paris zum Gespräch, am Abend wurde Siemens-Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser im Elysee-Palast vorstellig. Bei Siemens hieß es, der Konzern werde nach dem Treffen mit dem französischen Präsidenten entscheiden, "ob ein Angebot für Alstom abgegeben wird, und welche Inhalte dies gegebenenfalls hätte". Insider-Informationen zufolge hat Siemens dies in der Tat vor. Eine Offerte dürfte im Verlauf des heutigen Tages offiziell bekanntgegeben werden, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person am Montagabend zur Nachrichtenagentur Reuters. Siemens lehnte eine Stellungnahme ab.
Neu sind die Überlegungen nicht, aus den Konzernen nach Kaesers Worten "zwei starke europäische Champions" zu machen - Siemens im Energiegeschäft, Alstom in der Eisenbahnsparte. Bisher scheiterte das aber neben möglichen Einwänden der Kartellbehörden auch am Widerstand der Regierung in Paris. Als der Staat 2004 den schwer angeschlagenen Konzern rettete, verhinderte der damalige Wirtschaftsminister Nicolas Sarkozy den Einstieg von Siemens. Die Milliarden-Offerte aus den USA hat nun einen Meinungsumschwung herbeigeführt.
Für die aktuelle Regierung, die sich der Reindustrialisierung Frankreichs verschrieben hat, wäre eine Zerschlagung eines der letzten großen Industriekonzerne, der weltweit 93.000 Mitarbeiter, darunter 18.000 in Frankreich beschäftigt, ein verheerendes Signal. Gerade erst stieg der chinesische Investor Dongfeng bei PSA Peugeot Citroën ein. Die Publicis-Gruppe und der Zementhersteller Lafarge verlegen im Zuge von Fusionen ihre Sitze ins Ausland. Auch hieß es aus dem Umfeld von Hollande, seine Regierung wolle keinesfalls ein Unternehmen großteils amerikanisch werden lassen, das zuvor von Sarkozy gerettet worden war.
Der Ball liegt nun im Feld des Alstom-Verwaltungsrates, dessen Chef laut Medien skeptisch gegenüber einer Kooperation mit Siemens ist. Der Konzern teilte mit, seine "strategischen Überlegungen" fortzuführen und die Märkte bis Mittwoch zu informieren.