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Frankreichs Premier setzt auf Sozialpolitik

Von WZ-Korrespondent Christian Giacomuzzi

Europaarchiv

Bonus für mittlere Einkommensklassen. | Villepin startet Sympathie-Offensive. | Trotz der anhaltenden Konjunkturflaute und der steigenden sozialen Unzufriedenheit in Frankreich, glaubt der konservative französische Premierminister Dominique de Villepin (UMP) noch an die Möglichkeit, "die Bedingungen der Zuversicht wieder herzustellen". Zu diesem Zweck kündigte Villepin am Donnerstag bei einer Bilanzpressekonferenz zu seinen ersten 100 Tagen an der Spitze der Regierung eine verstärkte Sozialpolitik an, bei der Beschäftigung, Kaufkraft und Wirtschaftswachstum in Mittelpunkt der Anstrengungen stehen. Ein zentraler Punkt des Maßnahmenpakets ist eine Senkung der Einkommenssteuer, die "vor allem die mittleren Einkommensklassen" begünstigen soll.


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Mit Genugtuung erinnerte der Premier daran, dass die Beschäftigungslosigkeit in Frankreich seit vier aufeinander folgenden Monaten abgenommen habe und nunmehr wieder unter der 10-Prozent-Schwelle liege. Im Detail kündigte der Premier an, dass die Senkung der Einkommenssteuer nach einer Pause in diesem Jahr schon 2006 wieder fortgesetzt werden soll.

"Wir werden den Franzosen durch die Reform 3,5 Milliarden Euro zurück geben", erklärte Villepin. Ein allein stehender Bürger mit 30.000 Euro Jahreseinkommen werde "etwa 15 Prozent" weniger Steuern zahlen. Finanzminister Thierry Breton wurde von Villepin beauftragt, neue Höchst- und Mindestausmaße für die Einkommensbesteuerung festzulegen. Der französische Präsident Jacques Chirac (UMP) hatte bei seiner Wiederwahl im Jahr 2002 erklärt, dass die Einkommenssteuer während seiner fünfjährigen Amtszeit um insgesamt ein Drittel reduziert werden soll. Nachdem die Besteuerung tatsächlich um rund zehn Prozentpunkte gesenkt worden war, musste die Verminderung wegen der schlechten Konjunkturentwicklung und des hohen Budgetdefizits dann eingestellt werden.

Erfolgsrezept umstritten

Auch die umstrittenen neuen Werkverträge, bei denen die Probezeit auf zwei Jahre angehoben wurde, bezeichnete de Villepin als Erfolg. Seit Inkrafttreten der Maßnahme vor einem Monat seien bereits 30.000 Personen mit den Verträgen eingestellt worden. Gegen diesen Vertrag, dem zufolge Mitarbeiter unter 26 Jahren nicht in der Belegschaft mitgerechnet werden, um die Betriebsgrößen klein zu halten und den Kündigungsschutz zu lockern, haben die Gewerkschaften bereits rechtliche Rekurse eingereicht und Protestaktionen im Herbst angekündigt. Laut Angaben des Arbeitsamtes ANPE liegt das Potential dieser neuen Werkverträge allerdings zwischen 300.000 und 400.000 Anstellungen. Für minderbemittelte Familien kündigte der Premier am Donnerstag Finanzhilfen zur Bewältigung der steigenden Energiekosten an. Durch Kürzungen in den öffentlichen Ausgaben soll versucht werden, das Budgetdefizit wieder unter die vom Stabilitätspakt vorgeschriebene Schwelle von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken.

In der öffentlichen Meinung war Villepins Optimismus bisher nicht sehr ansteckend. Laut einer in "Le Parisien" veröffentlichten Umfrage fühlen sich nur 11 Prozent der Franzosen seit Villepins Ankunft im Hotel Matignon "zuversichtlicher". 16 Prozent sind "weniger zuversichtlich", 70 Prozent spüren in Bezug auf die Amtszeit seines Vorgängers Jean-Pierre Raffarin (UMP) "keinen Unterschied". Villepin hatte sich bei seiner Amtseinsetzung am 31. Mai selbst 100 Tage Zeit gegeben, um die Franzosen wieder zur Zuversicht zurückzuführen.