Zum Hauptinhalt springen

Frankreichs Regierung hakt nationale Identität ab

Von Alexander U. Mathé aus Frankreich

Europaarchiv

Premierminister Fillon will Schulen beflaggen. | Paris. Was ist ein Franzose? - Was wie eine Scherzfrage klingt, beschäftigt die Franzosen bereits seit Monaten, ohne dass sie bis heute eine befriedigende Antwort darauf gefunden hätten. Ende Oktober hatte der Minister für Immigration, Eric Besson, eigens eine Internetseite für "die große Debatte über die nationale Identität" einrichten lassen. Seitdem sucht die Nation emsig nach dem, was wohl die Essenz dessen sein könnte, was einen Franzosen ausmacht.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Fast 60.000 Einträge hat die Seite des Immigrationsministeriums seither erhalten. Eigentlich ging es bei der Diskussion aber darum, wie Ausländer besser integriert werden können. Ein Thema, das die Regierungspartei UMP wohl nicht der Opposition - zumal der rechtspopulistischen Nationalen Front (FN) - überlassen wollte. Noch dazu, da im März Regionalwahlen anstehen und die Konservativen dabei die zwei einzigen von ihnen regierten Regionen, Elsass und Korsika, verlieren könnten.

Spätestens seit dem Jahr 2002 ist klar, welches Stimmenpotential nationalistische Themen in Frankreich haben. Damals hatte es Jean-Marie Le Pen von der FN in die Stichwahl um die Präsidentschaft geschafft. Seither versuchen Politiker von links und rechts, der FN das Wasser abzugraben.

Diesmal könnte der Schuss allerdings nach hinten losgegangen sein, befindet sich die FN doch im Aufwind. Ihr werden für die Regionalwahlen neun Prozent der Stimmen prophezeit. Die von der Regierung angezettelte Diskussion könnte dabei geholfen haben. Denn statt eines integrativen Charakters nahm die Diskussion um nationale Identität schnell eine ausländerfeindliche Dimension an. Unter dem Eindruck eines geplanten Burkaverbots in Frankreich erhielt zudem die Diskussion über den Islam Einzug.

Schließlich bezeichneten laut Umfragen nur mehr 22 Prozent der Franzosen die Diskussion als konstruktiv und das, obwohl fast 74 Prozent erklärten, dass das Thema für sie wichtig sei.

Unter diesen Voraussetzungen verzichtete Präsident Nicolas Sarkozy darauf, wie angekündigt, am Montag die große Lösung zu dem Problem der nationalen Identität zu präsentieren. Er schickte seinen Premierminister, François Fillon, vor, der mit Vorschlägen wie der Aufpflanzung französischer Fahnen in Schulen und der Forderung nach einer besseren Vermittlung von Grundwerten für Einwanderer vorläufig einen wenig bejubelten Schlussstrich unter das Thema setzte.