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Als Papst Franziskus 2013 die Irrungen des Kapitalismus kritisierte und die Ideologie des Marktfundamentalismus anprangerte, wurde er von Rechtskonservativen als "Marxist" verunglimpft. Bald wird er sich über den spöttischen Titel "Öko-Heiliger" freuen dürfen, dem ihm seine Kritiker wohl diesmal verleihen werden.
Franziskus stellt heute seine neue Enzyklika "Laudato si, sulla cura della casa comune" ("Gelobt seist Du - über die Sorge um unser gemeinsames Haus der Schöpfung") vor, in der er vor den Folgen der fortschreitenden Umweltzerstörung und den Konsequenzen für die Ärmsten der Welt warnt. Um den Zustand der Schöpfung besorgte Katholiken werden mit Genugtuung erfüllt sein: Ihr Papst Franziskus lenkt den Diskurs in der Kirche weg von oft hermetischen Glaubensdebatten, wie sie sein Vorgänger Benedikt XVI. geliebt hat, und hin zu den existenziellen Problemen der Menschheit: der Frage der sozialen Gerechtigkeit und dem drohenden Kollaps des Weltklimas. Für die katholische Kirche reklamiert Franziskus damit zentrales Terrain bei den wichtigsten Debatten der Gegenwart.
Und indem Franziskus mit seiner Enzyklika auch den Klimaforschern seinen päpstlichen Sanktus gibt, geht er vor dem Ende November in Paris beginnenden Weltklimagipfel auch einen wichtigen Schritt auf die Naturwissenschaften zu - das Verhältnis zwischen dem Kirchen-Establishment und den Wissenschaftseliten war in der Vergangenheit ja nicht immer ungetrübt.
Mit seinen geplanten Reden vor dem US-Kongress und den Vereinten Nationen wird der Papst seiner Botschaft auch auf dem politischen Parkett Nachdruck verleihen.
Franziskus ist freilich kein Wesen mit übernatürlichen Kräften: Vor dem Klimagipfel 2009 in Kopenhagen wurden Erwartungen geschürt, dass der frisch gewählte US-Präsident Barack Obama einen Durchbruch in der Klimafrage erzielen könnte. Diese Hoffnungen haben sich damals nicht erfüllt. Gut möglich also, dass auch die Botschaft von Papst Franziskus verhallt.
Dennoch: Die Hinweise mehren sich, dass wir am Anfang vom Ende des Hydrokarbon-Zeitalters stehen: Solartechnologie wird erschwinglich, Windenergie ist an guten Standorten mit konventionellen kalorischen Kraftwerken längst wettbewerbsfähig. Nun ist auch Elektromobilität reif für den Massenmarkt. Die Intervention des Papstes ist ein hochwillkommener Ansporn zum Umdenken.