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Französische Staatsbahn wird umgekrempelt

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Wirtschaft

Die Deutsche Bahn als Partner und Vorbild und nicht als Rivale.


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Paris. Der Chef der französischen Staatsbahn SNCF (Société Nationale des Chemins de Fer français), Guillaume Pepy, nennt die Deutsche Bahn mehr Partner als Rivalen und ein Vorbild sowieso. Mit Mangel an Selbstbewusstsein hat das nichts zu tun. Für die Zukunft der SNCF - in Österreich hält sie 25,9 Prozent an der Westbahn-Muttergesellschaft Rail Holding - hat er noch einige Pläne in der Schublade.

Dass er ein Sportsmann ist, signalisiert Guillaume Pepy bereits durch seinen dynamischen Händedruck und den Fahrradhelm in der Hand: Innerhalb von Paris tritt der französische Bahnchef und passionierte Radfahrer selbst in die Pedale; angeblich hat er gar kein Auto. Und auch seine Haltung in Sachen Konkurrenz auf dem europäischen Bahn- und Schienenverkehr ist sportlich. "Wenn man ein Europa auf Schienen will, muss man den offenen Markt befürworten", erklärt der 53-Jährige.

Mit seinem deutschen Kollegen Rüdiger Grube sei man sich "zu 80 Prozent" einig. Vor allem wenn es darum geht, gegen die EU-Kommission das "integrierte" Modell der Deutschen Bahn zu verteidigen, das Pepy auch für die SNCF wünscht. Also keine Trennung von Netz und Fahrbetrieb, welche die französische Staatsbahn teuer zu stehen kommt. Die ständig steigenden Nutzungsgebühren des Netzbetreibers RFF lassen ausgerechnet das Geschäft mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV unrentabel werden. So macht ein gemeinsamer Gegner alte Rivalen zu Teamspielern. Zwar nicht im Frachtgeschäft und im Personennahverkehr, wohl aber auf Fernstrecken, abgesehen vom bisherigen Gemeinschaftsprojekt Thalys, aus dem die DB aussteigt.

Pepy will die SNCF modernisieren, an deren Spitze er seit 2008 steht. Mit Unterbrechungen, unter anderem als Kabinettsdirektor der ehemaligen sozialistischen Arbeitsministerin und heutigen Parteichefin Martine Aubry, arbeitet er seit über 20 Jahren für die Bahn. Im Pariser Nobelvorort Neuilly-sur-Seine geboren, hat er die renommiertesten Elitehochschulen Frankreichs absolviert, die ihn für einen Spitzenjob prädestinieren.

Oberste Priorität:

Regional- und Pendlerzüge

Keinesfalls möchte der französische Konzernchef den Eindruck vermitteln, Markt-Abschottung zu befördern. Branchenkenner interpretieren den Millionenauftrag der SNCF an den angeschlagenen Bahnhersteller Alstom für den Bau von 40 Doppelstock-Hochgeschwindigkeitszügen als Kalkül: Alstom zog daraufhin seine Klage gegen Siemens zurück.

Das deutsche Unternehmen hatte einen 600 Millionen Euro schweren Zuschlag für den Bau von zehn ICE-Zügen erhalten, die für Tunnelfahrten zwischen London und Paris eingesetzt werden sollen. Der Auftrag kam vom Eurotunnel-Betreiber Eurostar, der zu 55 Prozent der SNCF gehört.

Der selbstbewusste Pepy hat kein Problem damit, die Deutsche Bahn als Vorbild zu nennen, dem er in Sachen Entschuldung, Verschlankung, Abnabelung von der öffentlichen Hand nacheifert.

Als jüngstes Beispiel für den Ausbau grenzüberschreitender Zusammenarbeit gilt die neu eröffnete Verbindung der SNCF und DB zwischen Frankfurt und Marseille über die Hochgeschwindigkeitsstrecke TGV Rhin-Rhône, die erst im Dezember des vergangenen Jahres in Betrieb genommen wurde.

Seine erste Priorität seien aber die Regional- und Pendlerzüge, sagt Pepy, die 90 Prozent der täglich vier Millionen SNCF-Passagiere befördern und für die er massive Investitionen in einen besseren Service ankündigt. Bis dahin seien Unannehmlichkeiten für die Gäste nicht vermeidbar - eine ehrliche Ansage des Manns der klaren Worte, als der Pepy bekannt ist.