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Französischer Selbstmord

Von Alexander U. Mathé

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Der Abgesang eines Journalisten auf Frankreich ist ein absoluter Kassenschlager.


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Nobelpreise haben ja auch irgendwie etwas Nationalistisches an sich. Gewinnt ihn einer, so ist gleich sein ganzes Land stolz und feiert ihn als Helden. Das ist in Frankreich nicht anders als in Österreich. Und so war man in der Grande Nation denn auch ganz ekstatisch, als Patrick Modiano diesen Monat den Nobelpreis für Literatur erhalten hatte. Sein neuestes Werk "Pour que tu ne te perdes pas dans le quartier" ("Damit du dich nicht im Viertel verläufst") wurde zum Verkaufshit. Doch zum wahren Bestseller avancierte in dieser Zeit ein anderer; einer, der einen Abgesang auf die französische Nation schrieb.

Eric Zemmour dominiert mit "Le Suicide Français" ("Der französische Selbstmord") nicht nur den Buchmarkt, sondern auch die Berichterstattung in seinem Land. Die vereinfachte These des Wälzers über etwa 550 Seiten: Ausgelöst durch die 68er-Generation haben Feminismus, Globalisierung, Masseneinwanderung und Brüsseler Bürokraten Frankreich den Garaus gemacht - der Staat hat seine Macht über das Land verloren.

Der Journalist der rechten Tageszeitung "Le Figaro" vergleicht Frankreich mit einem alten Gebäude, dessen Fassade intakt sei, im Inneren jedoch alles über den Haufen geworfen wurde, um dem modernen Geschmack zu entsprechen. So habe Frankreich seine Souveränität und kulturelle Identität Brüssel übertragen, es sei zum Handlanger der Nato verkommen, habe es verabsäumt, den Islam dem französischen Recht unterzuordnen, und habe der angelsächsischen Finanzwelt nichts mehr entgegenzusetzen.

Eine der umstrittensten Aussagen ist, dass das Vichy-Regime während des Zweiten Weltkriegs ausländische Juden an die Nazis ausgeliefert habe, um französische Juden zu retten. Historiker haben dieser These zwar widersprochen, doch eine hat sie - so wie das Buch generell - gelobt: Marine Le Pen, die Chefin der rechtsnationalen Front National. Sie stimmt mit den Ideen absolut überein, was Sozialisten und Konservative angesichts der Verkaufszahlen des Buches beunruhigt.

200.000 verkaufte Exemplare in einer Woche, insgesamt weit mehr als 300.000 und täglich kommen 15 - 20.000 weitere dazu. Schon bald dürfte der derzeitige Rekordhalter, die Bekenntnisse der Ex-First-Lady Valérie Trierweiler, mit knapp mehr als einer halben Million verkaufter Exemplare eingeholt sein. Offenbar hat der Journalist algerisch-jüdischer Herkunft den Nerv vieler Franzosen getroffen.

Wie schnell seine Theorien allerdings ins Auge gehen können, sieht man bei Zemmours Prognose zur Fußball-WM. Er prophezeite den Deutschen eine Niederlage gegen Brasilien. Deutschland habe sich nämlich gegenüber Türken und so weiter geöffnet, in der Vergangenheit aber immer nur gewonnen, solange blonde Nordmänner am Ball waren. Das Match endete 7:1 - für Deutschland.