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Auch wenn in Industriestaaten immer weniger Menschen um Asyl ansuchen - für Franco Frattini ist dies nicht als Erfolg der europäischen Flüchtlingspolitik zu werten. Der für Freiheit, Sicherheit und Justiz zuständige Kommissar plädiert für stärkeren Schutz der Menschen in ihrem jeweiligen Land.
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Mit 396.000 Anträgen sank die Zahl der offiziellen Asylsuchenden in 50 erfassten Staaten im Vorjahr auf den tiefsten Stand seit 1988, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) gestern mit. Denn einerseits kämen weniger Flüchtlinge aus Krisenherden wie Afghanistan, dem Kosovo und Irak. Andererseits hätten inzwischen viele Industrieländer die Aufnahmebestimmungen verschärft. Die meisten Asylsuchenden kamen im vergangenen Jahr aus Russland. Der Großteil der Tschetschenen bat in den neuen osteuropäischen EU-Staaten um Asyl - wo die Flüchtlingszahlen stiegen.
Die woanders sinkenden Zahlen sieht Justiz- und Innenkommissar Franco Frattini nicht als Erfolg der europäischen Flüchtlingspolitik. Denn es gebe noch viele Menschenrechtsverletzungen auf der Welt. Die meisten Schutzsuchenden würden aber von Ländern der Dritten Welt aufgenommen.
Eine einheitliche Asylpolitik zu kreieren bereitet der EU ebenso viel Schwierigkeiten wie eine gemeinsame Strategie zur Einwanderung. Die Mitgliedstaaten - nicht zuletzt Österreich - wollen ihre nationalen Eigenheiten bei der Gesetzgebung nicht aufgeben. Dabei braucht Europa Zuwanderer und Zuwandererinnen, auch um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu sichern, betonte Frattini. "Europa muss eine umfassende Strategie zur Wirtschaftsmigration haben", erklärte der Kommissar, der eine EU-weite Regelung der Zuwanderung als seine erste Priorität bezeichnet hat. Im Juli soll dazu eine öffentliche Anhörung stattfinden.
Leichter war es da schon eine Verordnung über die elterliche Verantwortung durchzusetzen. Damit soll die Entführung eines gemeinsamen Kindes in ein anderes Land durch einen Elternteil verhindert werden. Bei derartigen grenzüberschreitenden Sorgerechts-Streitigkeiten entscheidet künftig einzig das Gericht des Herkunftslandes des Kindes. "So wird das Problem von Kindern gelöst, die das Recht auf Kontakt zu beiden Elternteilen verlieren", sagte Frattini.
Der 1957 geborene Jurist war ursprünglich nicht für den Posten eines Kommissars vorgesehen. Doch Italien musste einen anderen Kandidaten nominieren, nachdem der Ausschuss für Grundfreiheiten im EU-Parlament Rocco Buttiglione abgelehnt hatte. Im Jahr 2002 wurde Frattini jüngster Außenminister in Italiens Geschichte. Seinen politischen Durchbruch hatte er bereits 1994 in der ersten Regierung Silvio Berlusconis geschafft - die allerdings nur wenige Monate hielt. Frattini gilt als einer der einflussreichsten Politiker in der Berlusconi-Partei Forza Italia.