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Die populäre Forderung, die faulen Pleite-Griechen mögen länger arbeiten, könnte sich als treffsicherer Schuss ins eigene Knie der pensionsversessenen Österreicher erweisen.
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Deutschlands Kanzlerin steckt arg in der Klemme: Einerseits wird Angela Merkel nicht vermeiden können, unangenehm viele Milliarden an deutschem Steuergeld für Europas Griechenland-Hilfswerk auszugeben; andererseits ist diese milde Gabe unter den deutschen Wählern ungefähr so beliebt wie eine eitrige Mandelentzündung.
Um vom darob arg anschwellenden Wut-Tsunami in der deutschen Öffentlichkeit und gar in der eigenen Partei nicht politisch weggeschwemmt zu werden, setzt sie sich quasi an die Spitze des Protestes gegen sich selbst und poltert nun: "Es geht auch darum, dass man in Ländern wie Griechenland, Spanien, Portugal nicht früher in Rente gehen kann als in Deutschland, sondern dass alle sich auch ein wenig gleich anstrengen - das ist wichtig."
Das ist erstens nicht ganz falsch und soll wohl zweitens eine Art kathartischer Bestrafung der schlitzohrigen Mittelmeerstaaten darstellen, zur seelischen Erleichterung des geplagten deutschen Bürgen und Zahlers. Dass Österreichs Finanzministerin ganz ähnlich klingt, wird ganz ähnliche Ursachen haben.
Gerade die Österreicher aber sollten nicht schadenfroh sein. Denn auch sie könnten eher früher als später Opfer dieser Merkel-Doktrin werden: Der Durchschnittsösterreicher geht noch früher in Pension als der Durchschnittsgrieche.
Grundsätzlich ist es ja sinnvoll, dass in einer europäischen Transferunion, in der jeder für jeden haftet, wie sie nun (leider) unabwendbar erscheint, nicht jeder Staat Geld beim Fenster rauswerfen kann, wie es seinen Politiker gerade einfällt. Sonst endet die Transferunion ganz schnell entweder im Bürgerkrieg oder im Bankrott. Wer also diese Haftung aller für alle und damit die Transferunion befürwortet, muss schon aus logischen Gründen eine weitgehende Entmündigung der nationalen Parlamente in Kauf nehmen.
Das aber kann wiederum nur bedeuten, dass über das Pensionsantrittsalter der Griechen letztlich nicht das dortige Parlament in Athen entscheiden kann, sondern Brüssel. Und das schließlich kann am Ende nicht nur für Griechenland gelten, sondern muss für die gesamte Union so gehandhabt werden; alles andere ist politisch völlig undenkbar.
Bundeskanzler Werner Faymann hat, quasi vorbeugend, schon erklärt, er halte wenig davon, die (enorm hohen) hiesigen Sozialleistungen oder das (enorm niedrige) hiesige Pensionsantrittsalter von der EU befingern zu lassen. Er weiß natürlich, warum: weil zahllose vermeintliche soziale Wohltaten Österreichs unter diesem Regime genauso wenig Bestand hätten wie die skurrilen Privilegien griechischer Lokführer.
Damit droht der Bundesregierung in Wien letztlich ein noch schmerzhafteres Dilemma als jener in Berlin. Denn Milliarden-Hilfen für Griechenland ohne ein europäisches Regime der Budgetkontrolle werden politisch ungefähr so gut verkäuflich sein wie ein Verscherbeln des Wiener AKH an einen US-Hedgefonds. Es wird ganz interessant sein, wie die Regierung erklärt, dass, als logische Konsequenz der von Merkel und ihren hiesigen Epigonen eingemahnten Mehrarbeit für Griechen, auch hierzulande der Pensionsantritt weiter in die Zukunft verschoben werden muss.