Die EU ist nicht berühmt für ihre Frauenpolitik. Das Europaparlament macht zahlreiche Vorschläge, doch die Mitgliedstaaten blockieren.
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Wien/Brüssel. Was den Kampf für Frauenrechte in Europa betrifft haben die vergangenen Jahre keine Fortschritte gebracht, im Gegenteil: In jenen EU-Mitgliedstaaten, in denen rechte und rechtspopulistische Parteien in der Regierung sitzen, beklagen Frauenrechtsaktivistinnen gravierende Rückschritte. So will etwa Ungarns Premier Viktor Orbán großzügige "Gebärpremien" einführen, um die Ungarinnen zur Mutterschaft zu animieren - und das traditionelle Rollenbild zu fördern. In Italien hat die Regierungspartei "Lega" dem Recht auf Abtreibung den Kampf angesagt - und bereits erste Siege eingefahren. Und in Polen ist ein Gesetz zur Verschärfung des ohnehin schon restriktiven Abtreibungsrechts nur am lauten Protest der Zivilgesellschaft gescheitert.
In Österreich gibt es zwar keine Pläne, die Gesetzeslage zu Schwangerschaftsabbrüchen zu ändern. Doch unterstützen hochrangige Politiker beider Regierungsparteien eine Petition, die das Recht auf Abtreibung bei schweren Behinderungen des Kindes nach der 12. Woche einschränken will.
Scharfe Kritik an der Regierung in Zusammenhang mit Frauenpolitik gab es am Freitag bei der Pressekonferenz der SPÖ-Frauen Evelyn Regner und Gabriele Heinisch-Hosek in Wien. Es habe schon Frauentage gegeben, an denen es mehr Grund zur Freude gab, fand SPÖ-Frauenvorsitzende Heinisch-Hosek. Juliane Bogner-Strauß sei "die untätigste Frauenministerin, die ich je erlebt habe". Gewalt gegen Frauen, überbordende Teilzeitarbeit, Gehaltsunterschiede - die ÖVP-Ministerin tue nichts dagegen. Gegen die Lohnschere vorzugehen forderte auch die SPÖ-Delegationsleiterin im Europaparlament Regner. Österreich liege hier EU-weit auf dem vorletzten Platz.
Für Regner gehören Frauenrechte "zur DNA der EU". Die SPÖ-Abgeordnete zählt auf, was Brüssel für Frauen schon alles getan hat: Dass sie für private Kranken- und Pensionsversicherungen mehr zahlen müssen als Männer, habe das Europaparlament abgestellt; zudem gebe es zahlreiche Richtlinien zur Gleichstellung im wirtschaftlichen Bereich.
Wer trotzdem den Eindruck hat, dass in Europa nicht viel weitergeht in Bezug auf Frauenrechte, liegt damit nicht falsch. Die Gesetzfindung in der EU ist mühsam und kompliziert. Was Frauenrechte und Gleichstellungspolitik betrifft, herrschen sehr unterschiedliche Regelungen in den Mitgliedstaaten. So sind Frauen nicht überall in gleichem Maße vor Gewalt geschützt. Die Kommission hat es bisher nicht geschafft, ein EU-Gesetz gegen Gewalt an Frauen auf die Beine zu stellen - obwohl das Parlament seit 2009 immer wieder Vorschläge zu einer europäischen Richtlinie macht.
Zwar gibt es im Europaparlament einen eigenen Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (Femm). Doch das Parlament kann allein keine Gesetze beschließen, sondern lediglich dazu anregen. So haben die Abgeordneten Texte zu Menschenhandel und Zwangsprostitution, zu Genitalverstümmelung und zur Bekämpfung von geschlechterspezifischer Gewalt verabschiedet. Konkrete Gesetzesvorschläge einbringen und sie dann zu beschließen, obliegt aber der EU-Kommission und dem Rat, also den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten. Frauen, das hört man immer wieder, sind "Angelegenheit der Nationalstaaten".
Europas Konservative wollen, dass das so bleibt. Deswegen stimmen die Abgeordneten der EVP, darunter auch die ÖVP, meistens gegen die Vorschläge des Femm-Ausschusses. Familien- und Sozialpolitik, worunter auch das Thema Abtreibung fällt, soll nicht zur EU-Kompetenz werden.
Männer an der Spitze
Im Europaparlament sind aktuell 36 Prozent der Abgeordneten weiblich - das entspricht in etwa dem Geschlechterverhältnis im österreichischen Parlament. Den Frauenanteil in den EU-Institutionen auf 50 Prozent zu erhöhen, das funktioniert laut Regner nur mit den Sozialdemokraten. Der Spitzenkandidat der SPÖ für die Europawahlen ist mit Andreas Schieder jedoch ein Mann, genauso verhält es sich in der EU-weiten Fraktion: Die europäischen Sozialdemokraten schicken den Niederländer Frans Timmermans ins Rennen um das Amt des EU-Kommissionspräsidenten.