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Frauen an der Front

Von Anna Bauer

Reflexionen

Seit Jahrhunderten gibt es Belege für den Einsatz von Soldatinnen - und ihre vielfach ungleiche Behandlung.


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Die Geschichte der kämpfenden Frauen wird in der Forschung sowohl von Frauen als auch von Männern kaum wahrgenommen. Es gibt jedoch einige Belege für den Einsatz von Frauen in kämpfenden Einheiten. Jeanne d’Arc ist in dieser Hinsicht weder eine Ausnahme noch etwas Besonderes: Alleine in der britischen Marine wurden vom späten 17. bis in das frühe 19. Jahrhundert mehr als 20 Frauen enttarnt. Im Russland des frühen 19. Jahrhunderts kämpfte Nadeschda Durowa in der zaristischen Armee gegen Napoleon.

Dass Frauen in den Krieg zogen, wurde akzeptiert, doch sie mussten gleichzeitig auch den Erwartungen an das weibliche Geschlecht entsprechen und trotz ihrer Tätigkeit und der "Verkleidung" tugendhaftes Verhalten an den Tag legen. Alberte-Barbe von Saint-Baslemont verteidigte 23 Jahre lang ihre Ländereien gegen durchziehende Truppen, während ihr Mann in der Armee des lothringischen Herzogs diente.

Mit Rock und Degen

"Sie trug immer Stiefel und Männerkleider, die sie unter weiblicher Kleidung versteckte; beim ersten Alarm, der durch einen Glockenschlag ausgelöst wurde, sah man sie zu Pferd, nachdem sie ihren Rock ausgezogen hatte und nur ihr Wams anbehielt, an dem das Degengehänge und das Schwert angebracht waren. Die Einfachheit ihrer Kleidung war für eine Person ihres Standes erstaunlich: auch wenn sie bei ihrer Rückkehr wieder ein langes Kleid oder einen Frauenrock anzog, behielt sie dennoch ihren Hut mit der Feder auf, die jedoch nicht übertrieben oder ausgefallen waren", erinnert sich ein Zeitgenosse.

Wie reagieren Männer, wenn sie gegen eine Frau kämpfen? Am frühen Morgen des 9. Juli 1917 wurde den Soldaten des 525. Kiurug-Dar’inskii-Infanterieregiments befohlen, die deutschen Stellungen anzugreifen. Kurz vor Sonnenaufgang stürmte eine einzelne Einheit aus den Schützengräben. Ihr Mut bewegte fast die Hälfte der Truppen, ihrem Beispiel zu folgen. Nach Überwindung der ersten beiden deutschen Schützengräben kam die Attacke jedoch zum Erliegen, als in den deutschen Schützengräben Alkohol entdeckt wurde. Die Freiwilligen forderten die Truppe erfolglos zum Weiterkämpfen auf; das weitere Vorrücken wurde durch einen deutschen Gegenangriff gestoppt und zurückgedrängt.

Obwohl der gesamte eroberte Bereich wieder verloren ging, gelang es den Truppen, fast 200 Deutsche gefangen zu nehmen. Im Chaos des Kampfes schrien einige der Gefangenen: "Guter Gott! Frauen!", "Verdammt! Welche Schande! Gefangen von Frauen! Verdammt!" Die Deutschen waren von Mitgliedern des ersten Russischen Frauenbataillons gefangen genommen worden.

Ähnlich empfinden Männer, wenn sie einen vermeintlichen Soldaten töten und danach feststellen müssen, dass es eine Frau war. "Als die Čekisten vorsichtig, um sich nicht mit Blut zu beschmieren, den Tarnanzug aufknöpften und den oberen Teil des Körpers entblößten, stießen ihre Hände auf eine noch warme Frauenbrust. Es war wie ein Schock. Ihre Gesichter äußerten Erstaunen, Scham und Ratlosigkeit: einige Dutzend Männer hatte diese kleine, zerbrechliche Frau so lange nicht fangen können." So erinnert sich Georgij Sannikov an den Tod von Ljudmyla Foja, einer der bedeutendsten Figuren des ukrainischen Widerstandes.

Lieber selbst schießen!

Aus welchem Grund greifen Frauen zur Waffe? Immerhin sind sie dem Risiko, im Kampf beziehungsweise an den Folgen einer direkten kriegerischen Auseinandersetzung zu sterben, weniger ausgesetzt als Männer, weil der Kampf ja meist auf dem Schlachtfeld stattfand oder ein Stellungskrieg war. Anders als Männer waren Frauen zu Hause in Sicherheit, weit weg vom Krieg, wenn sie nicht im Bereich der durchziehenden Armeen lebten. Männer ziehen in den Krieg, wenn der Befehl zum Einrücken kommt; für Frauen gibt es diesen Befehl (mit Ausnahme von Israel) nicht.

Doch warum gehen sie dann? "Warum? Vier Leute in meiner Familie starben, als die Amerikaner die Vororte von Hanoi bombardierten. Ich war wütend und glaubte, das, was ein Mann tun kann, kann ich auch", sagt eine vietnamesische Soldatin.

Einen ähnlichen Grund gibt Neva Tölle an, die im Jugoslawienkrieg kämpfte: "Stimmt, sie habe nicht gelernt, mit Waffen umzugehen, aber haben das die Abiturienten neben mir? Nein, sie ist ganz und gar nicht scharf darauf zu sterben. Aber soll ich starr vor Angst einfach auf den Tod warten? Dann schon lieber selbst schießen." Hass ist also durchaus ein Beweggrund, sich den kämpfenden Einheiten anzuschließen. Weitere Gründe für Frauen, zur Waffe zu greifen und in den Krieg zu ziehen, sind oft eine schlimme Kindheit (körperlicher oder seelischer Missbrauch), Armut, Abenteuerlust oder Probleme mit dem angeborenen Geschlecht.

Die Emanzipationsbewegung sorgte unter anderem für die Mobilmachung der Frauen im Ersten Weltkrieg. Eine russische Soldatin beschrieb es so: "Wir wenigen jungen Mädchen hatten während der ganzen Ausbildungszeit ein sehr positives Gefühl, obgleich Krieg war. Besonders als Frauen unter so vielen Männern! Das muss man sich erst mal vorstellen: Als noch nicht einmal 18-Jährige so ein riesiges Gewehr mit einem optischen Zielfernrohr in die Hand gedrückt zu bekommen! Das Bewusstsein, gut damit umgehen zu können, vielleicht sogar besser als die Männer, die Helden, war eine unwahrscheinliche Aufwertung!"

Dieses Bedürfnis nach Anerkennung, Unabhängigkeit und Emanzipation wurzelte auch in der Erziehung der Mädchen. Gräfin Schwerin erinnert sich an die Erziehung vor dem Ersten Weltkrieg: "Demut, Unterwerfung, die gänzliche Negierung des eigenen Willens und der Meinung sowie unbedingte Unterordnung unter jeden Erwachsenen bis auf den letzten Dienstboten. Ihr seid immer die Letzten und habt gegen jedermann unrecht."

Eine Kameradschaft zwischen Soldaten und Soldatinnen war allerdings schwer herzustellen. Die Kombattantinnen wurden zu geschlechtslosen Wesen, zur Schwester des Soldaten, aber nicht unbedingt zu seiner Kameradin. Frauen sahen das zur selben Zeit ganz anders. Sie betrachteten sich immer noch als Frauen und nicht als geschlechtslose Schwestern - und versuchten dies während des gesamten Kampfeinsatzes auch nach außen zu zeigen. "Wir hatten keine Laken, auch keine Kopfkissen. Wir schliefen auf Reisig. Aber ich besaß heimlich Ohrringe. Ja, gebraucht wurden Soldaten - aber wir wollten auch noch schön sein", schrieb Maria Nikolajewna Schtscholokowa.

Ambivalentes Lob

Durch ihre Leistung konnten die Frauen jedoch Achtung erringen: "Und da waren ’n paar, die kamen aus Russland. Und da sacht der eine, sie wären einjeschlossen jewesen, und auch von unsern Mädchen welche mit dabei. Und da ham se denen ne Knarre in die Hand jedrückt, ham denen jezeigt, wie dat geht. Da sacht er: Die ham besser jeschossen wie wir, sonst wären wir da gar nich rausjekommen", erzählte ein Wehrmachtssoldat.

Versagt eine Frau im Kampf, so gilt ihr Versagen allerdings gleich stellvertretend für alle anderen Frauen. "Du bist immer im Blickpunkt und es ist ihnen nicht bewusst, aber sobald du einen Fehler machst, bemerkt es jeder. Wenn ein Mann einen Fehler macht, kümmert es niemanden, wir erinnern uns später noch nicht mal an seinen Namen" (Bericht einer 39-jährigen Helikopterpilotin bei den holländischen Luftstreitkräften).

Wird andererseits eine Frau belobigt, dann heißt es, sie habe die Auszeichnung nur aufgrund ihres Geschlechts erhalten - und nicht, weil sie ihre Arbeit gut gemacht hat. "Ich wurde zum Kapitän befördert, es gibt einige Kollegen aus meiner Klasse, welche denselben Rang haben, und andere, die noch Leutnant sind und noch ein Jahr bleiben, dann sagen sie: Oh, warum ist sie jetzt Kapitän? Ah, sie ist ja eine Frau. Sie behaupten, es ist ein Scherz, aber da ist ein Unterton. Wenn du etwas vor ihnen erreichst, ziehen sie die Leistung immer in Frage", sagt eine 27-jährige Logistik-Kapitänin der holländischen Armee.

Die unterschiedliche Behandlung von Frauen und Männern setzt sich bei der Gefangennahme fort, wie im Zweiten Weltkrieg ersichtlich war. Das Kriegsgefangenenschicksal von Frauen sollte sich kaum von dem der Männer unterscheiden; für beide galt die Haager Landkriegsordnung von 1907. Das Oberkommando des deutschen Heeres gab den Befehl aus, uniformierte Frauen mit oder ohne Waffe als Kriegsgefangene zu behandeln und ihnen den zustehenden völkerrechtlichen Schutz zu gewähren. Das Armeeoberkommando 6 unter Walter von Reichenau erteilte jedoch immer wieder Erschießungsbefehle. Der Divisionskommandeur der 6. Armee, Generalleutnant Hammer, nutzte diese Befehle aus und ordnete zusätzlich an, dass Frauen in russischer Uniform grundsätzlich zu erschießen seien.

Kaum Anerkennung

Als sich das Kriegsende abzeichnete, wurden Frauen aus der Armee entlassen und wieder als schwache, beschützenswerte Wesen angesehen. Der Kriegseinsatz hatte den Frauen zwar Selbstbewusstsein gegeben, doch gleichzeitig auch Zweifel und Fragen geweckt, wie ihr Leben weitergehen sollte. Es fehlte ihnen an einer Berufsausbildung, sie litten - wie die Männer - an den physischen und psychischen Folgen des Kampfeinsatzes. Während Männer von der Gesellschaft als Helden angesehen wurden und ihre Kriegserlebnisse in Erinnerungsritualen und Veteranenverbänden artikulieren konnten, blieben den Frauen nur unauffällige Kaffeekränzchen, bei denen sie ihre Erinnerungen austauschen und die Kameradschaft erhalten konnten.

Nach dem Krieg erfuhren die ehemaligen Kämpferinnen deutliche Ablehnung. Die sowjetische Medaille "Für Verdienste im Kampf" (za boevye zaslugi) nannte der Volksmund abschätzig "Für Verdienste beim Sex" (za polevye zaslugi), wenn sie von Frauen getragen wurde. Frauen mussten sich ihren Platz in der Gesellschaft nach dem Krieg neu suchen und sich entweder mit den alten Rollen abfinden oder neue entdecken.

Literatur:U. von Gersdorf 1969, Frauen im Kriegsdienst 1914-1945, IV. Exkurs: Frauen in ausländischen Streitkräften S. 78-107 In: Beiträge zur Militär und Kriegsgeschichte Bd. 11 Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt 1969L. Stoff 2000, They fought for Russia: Female Soldiers of the First World War S. 66-83 In: A soldier and a woman Sexual integration in the Military. G. J. DeGroot, C. Peniston-Bird (Hrsg.) 2000K. Latzel, F. Maubach, S. Satjukow (Hrsg.), Soldatinnen. Gewalt und Geschlecht im Krieg vom Mittelalter bis heute, Krieg in der Geschichte Bd. 60, 2011.

Anna Bauer ist Bibliotheks- und Informationsexpertin und zurzeit als Archäologin tätig.