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Migrantinnen haben es schwer, in der Musikbranche Karriere zu machen.
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Wien. "Ich träumte davon, eines Tages im Porgy & Bess aufzutreten", erinnert sich die Sängerin Songül Beyazgül an ihren ersten Konzertbesuch in Wien, zu dem sie eine gute Freundin einlud. Das war vor sieben Jahren. Unerfüllbar erschien ihr damals dieser Wunsch. Nun geht ihr Traum in Erfüllung:
Diesen Samstag gastiert Beyazgül alias Sakina auf der Bühne des Jazzlokals Porgy & Bess und singt gemeinsam mit dem Anadolu Quartett Lieder aus Mesopotamien. Der Wunsch, als Musikerin Karriere zu machen, kam der heute 40-jährigen Kurdin erst in ihrem Exil in Österreich, zu einem Zeitpunkt, als sie weder Deutsch sprechen konnte noch sich sicher war, ob ihr Asylantrag hierzulande überhaupt akzeptiert werden würde.
Der radikale Weg
In der Türkei war sie Mitglied der verbotenen kurdischen Untergrundbewegung PKK, der sie sich mit 18 Jahren angeschlossen hatte, wie viele ihrer Kommilitonen auf der Universität. Ihre Intention: "Ich entschied mich für einen radikalen Weg, der damals meiner Meinung nach notwendig war", erklärt sie heute. Sie machte sich für die Rechte der Kurden stark, unterrichtete Frauen über Feminismus und ihre Rechte und schrieb Artikeln für kurdische Zeitungen, die in der Türkei verboten waren. Der Musik blieb sie immer treu.
Im Jahr 2006 produzierte sie den Soundtrack des kurdischen Films "Beritan" über das Leben der kurdischen Freiheitskämpferin Beritan, der zur Gänze von kurdischen Guerillas gedreht wurde. In einem Lied heißt es etwa: "Beritan, die sich geopfert hat. Beritan, die nie einem Kampf auswich. Beritan, die auch im Tod an vorderster Front. Beritan, ihre Seele wie das Morgenrot hell leuchtet. Beritan, ein blutrotes Brautkleid sie schmückt."
"Jedes Lied hat eine Geschichte. Ich singe lieber jene Lieder, deren Texte einen gesellschaftlichen Bezug haben", meint Sakina. Die Hörer sollen sie nämlich, auch im Exil, nicht nur als Sängerin wahrnehmen, sondern auch ihre politische Haltung erkennen. So beschreiben die Texte ihrer traurig-melancholisch klingenden Musik, die sich am besten als Synthese aus traditionellen und avantgardistischen Melodien beschreiben lässt, ihre persönliche und politische Haltung.
Dass sie diesen Samstag im Jazzlokal Porgy & Bess auftritt, grenzt für sie fast an ein Wunder. Ihre Musikkarriere begann jedoch eher schleppend. Anfangs nahm sie jährlich an Festivals teil, organisiert vom Theaterprojekt "Fleischerei". Hinzu kamen Benefiz- und Solidaritätskonzerte und Soloauftritte unter anderem im Wiener Theater Akzent. Sakina hat bereits eine kleine Fangemeinde in Wien, die aus ihren Freunden sowie Liebhabern der mesopotamischen Musik beziehungsweise Weltmusik besteht.
In der Musik Karriere zu machen ist ein schwieriges Unterfangen. Für jeden. Umso mehr für viele Migrantinnen. "Ein Instrumentalist, dessen Urgroßeltern nach Österreich kamen, der klassische Geige studiert hat und in einem Orchester spielt, hat mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen als eine Band, deren Mitglieder aus der Türkei, Bulgarien, Österreich und Bosnien stammen, die ,World Music‘ spielt und sich um die Auftritte selbst kümmern muss", erklärt Soziologin Rosa Reitsamer von der Universität für Musik und darstellenden Kunst Wien. Schließlich würde in Österreich die klassische Musik als wichtiger Bestandteil der Hochkultur höher subventioniert als andere Musikrichtungen. "Herkunft, Migrationshintergrund, Geschlecht und Alter spielen eine wesentliche Rolle, wenn es darum geht, welche Menschen in Österreich welche Arbeiten verrichten und wie diese Arbeiten bezahlt sind", gibt Reitsamer zu bedenken. Sie schätzt, dass die Konzertsäle überwiegend von Migrantinnen geputzt werden, während Männer höhere und einflussreichere Positionen innehaben, die auch gut bezahlt sind.
Verpöntes Singen
"Deri - Behind the Doors" heißt Sakinas Album, das sie gemeinsam mit zwei weiteren Sängerinnen unter den Namen "Trio Mara" herausgebracht hat. Das Wort "Door" (deutsch "Tür") im Titel des Albums steht als Metapher für das Leben. Früher sangen kurdische Frauen hinter Türen, da das öffentliche Singen aufgrund der Religion und Traditionen verpönt war. Sakinas Intention bleibt auch hier ganz klar politisch: "Dieses Album ist jenen Frauen gewidmet, die durchs Singen hinter den Türen für uns neue Türen geöffnet haben, durch die wir jetzt gehen."