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Die Spitzenkandidatin der größten Oppositionspartei fordert Polens Premierministerin heraus.
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An Bedeutungskraft fehlte es dem kleinen Festakt nicht. Als im Beisein von vier Staats- und Regierungschefs sowie des Präsidenten der EU-Kommission das Abkommen über die Errichtung eines Gas-Interkonnektors zwischen Polen und Litauen unterzeichnet wurde, ging es um mehr als eine Verbindungsleitung. Der Bau läute das Ende der Energie-Isolation der baltischen Staaten ein, schwärmte Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Die Länder sind bisher vom EU-Markt abgeschnitten und von russischen Gaslieferungen abhängig. Einen Beitrag, um das zu ändern, soll die 534 Kilometer lange Pipeline leisten, deren Baukosten mit knapp 560 Millionen Euro angegeben werden.
Nun soll der Traum der Verbundenheit mit der Union, der mit dem EU-Beitritt vor elf Jahren Gestalt annahm, auch für den Energiebereich wahr werden, sagte Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite. Und die polnische Premierministerin Ewa Kopacz wies darauf hin, dass mit dem Projekt "historische Teilungen" aufgehoben werden.
Ihr könnte die Unterzeichnung als ein außenpolitischer Erfolg gelten. Zum einen wirkt sich das länderübergreifende Vorhaben positiv auf das Verhältnis zwischen den beiden Nachbarn aus, das nicht immer frei von Spannungen ist - nicht zuletzt wegen der Auffassungsunterschiede über die Situation der polnischen Minderheit in Litauen. Zum anderen soll es dabei helfen, die Abhängigkeit von Russland zu vermindern.
Allerdings spielen außenpolitische Themen in Kampagnen vor Abstimmungen über nationale Parlamente meist eine geringere Rolle. In so einem Wahlkampf befindet sich Kopacz: In einer Woche entscheiden die Polen über die künftige Zusammensetzung des Sejm, des Abgeordnetenhauses in Warschau. Dort wird derzeit mehr über Gehälter, Pensionen, durchgeführte oder missglückte Reformen sowie die Aufnahme von Flüchtlingen diskutiert denn über die Rolle des osteuropäischen Mitglieds in der EU.
Es ist vor allem ein Zweikampf, der die polnische Politik seit Jahren prägt: das Duell zweier Gruppierungen, die die gleichen Wurzeln, sich aber unterschiedlich entwickelt haben. Aus der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc stammend, sind sowohl die regierende Bürgerplattform (PO) als auch die größte Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) konservativ, doch ist PO schon in die Mitte des politischen Spektrums gerückt.
Jedoch sind es nicht mehr zwei Männer, die diesem Ringen um die Vormacht im Staat ihre Gesichter verleihen. Ex-Premier Donald Tusk ist nun EU-Ratspräsident in Brüssel. In Warschau hat Kopacz das Amt und den Vorsitz der PO übernommen. Tusks langjähriger Rivale Jaroslaw Kaczynski hat zwar nicht die PiS-Führung, aber die Spitzenkandidatur abgegeben. Vielmehr soll seine Stellvertreterin, die Parlamentsabgeordnete Beata Szydlo, Ministerpräsidentin werden, wenn die nationalkonservative Fraktion gewinnt - worauf so gut wie alle Meinungsumfragen hindeuten.
Zwar haben etliche Beobachter keine Zweifel daran, dass Kaczynskis Position auch im Hintergrund keineswegs geschwächt ist. Doch vorne steht Szydlo. Ihr gegenüber Kopacz. Und auch das Bündnis Vereinigte Linke hat eine Frau an die Spitze gestellt: Barbara Nowacka. Frauen prägen diesen Wahlkampf.