Broucek: Frauen müssen für Karriere mehr leisten als Männer. | Coudenhove: Nicht die besten, sondern die am wenigsten gefährlichen Frauen werden befördert. | Saudi-Arabien hat kein Frauenwahlrecht | Zitate zum Frauentag | Frauenquote: Bund will sich verpflichten | "Wiener Zeitung": Frau Coudenhove-Kalergi, welche Chancen haben Sie verpasst, nur weil Sie in einer Welt aufgewachsen sind, in der Frauen und Männer nicht die gleichen Chancen hatten? | Barbara Coudenhove-Kalergi: Als ich jung war, habe ich gar nicht gewusst, was Karriere überhaupt ist. Das hat mit meiner Generation und wohl auch mit der Tatsache zu tun, dass ich ein Flüchtlingskind war. Für mich ging es darum, überhaupt einen Job zu finden. Ich wollte stets meinen eigenen Weg gehen, aber nie Chef von irgendetwas werden. Natürlich war der Journalismus damals rein männlich, aber ich hatte weniger das Problem, dass die Männer mich nichts werden ließen. Vielmehr wollten alle, dass ich rot werde, indem sie anzügliche Bemerkungen machten.
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Frau Broucek, Sie sind fünf Jahrzehnte jünger, wie leicht fällt es Ihnen, Karriere zu machen - oder ist das für Sie auch keine Kategorie? Miriam Broucek: Karriere bedeutet für jeden etwas anderes. Ich arbeite in der Finanzbranche, komme aber aus der Kunst, da lässt sich Karriere nicht so leicht definieren. Aber eines war immer klar: Ich wollte erfolgreich sein und all das erreichen können, was auch einem Mann offensteht. Heute erklären einem viele Menschen, dass man auch als Frau alles erreichen kann, wenn man nur will. Je länger ich das jedoch versuche, desto mehr erkenne ich, dass die Realität anders aussieht. Als Frau in die männlichen Netzwerke hineinzukommen, ist unendlich schwer.
Weil die Männer Sie ausschließen oder weil Sie wegen anderer Verpflichtungen keine Zeit haben? Broucek: Bei mir ist das keine Zeitfrage, ich habe keine Kinder, obwohl ich das für die Zukunft nicht ausschließe. Man erfährt als Frau schlicht nichts von all den Treffen nach dem Büro. In der Finanzbranche sind auch die sozialen Codes sehr stark. Ich habe oft erlebt, dass man einem Mann mehr vertraut, nur weil er ein Mann ist oder besser gekleidet ist. Frauen werden dagegen oft nicht ernst genommen, so nach dem Motto "die Blondine ist ja nur Staffage".
Gab es im Journalismus die gleichen Vorurteile? Coudenhove: Natürlich, allerdings war ich zu unbedarft und viel zu naiv, um es zu bemerken. Ich habe mich auch fast nie für etwas beworben - auch ein typisch weibliches Verhalten - und als ich es doch tat, fragte man mich, ob ich nicht lieber Sekretärin werden würde - das war typisch für die Zeit. Aber ich wollte ohnehin nie nach oben, ich wollte in der Welt herumfahren und spannende Geschichten schreiben. Von daher war ich keine Gefahr für die Männer, ich habe mir Nischen gesucht - ebenfalls eine typisch weibliche Strategie. Auch sexuelle Belästigung im engeren Sinne musste ich nie erleiden - höchstens, dass mein erster Chef, ein alter Geilspecht, immer die "Mutzenbacher" gelesen hat, während wir Jungen unsere Texte abgeliefert haben.
Broucek: Da hat sich wenig geändert, all das gehört heute noch zum Alltag, nur die Sexlektüre stammt aus dem Internet. Die Respektzone von Frauen wird viel zu selten eingehalten.
Mit welcher Strategie wehren Sie sich dagegen? Broucek: Ich gehe in die Offensive, zeige Initiative. Aber ich muss sicher mehr Einsatz zeigen, um das gleiche Ziel zu erreichen wie ein männlicher Kollege, davon bin ich überzeugt.
Coudenhove: Wenn Sie sagen, eine attraktive Blondine hat es schwerer, muss man ergänzen: Schiach darf die Frau auch nicht sein!
Broucek: Ja, ist man Angela Merkel, wird man als Mann verunglimpft; zählt man zur attraktiven Variante, wird man nicht ernst genommen.
Coudenhove: Dennoch hat sich zumindest im Journalismus enorm viel gewandelt: Ich war damals die einzige Frau im Chronikressort, und Politik und Sport waren praktisch unerreichbar. Heute wäre der Journalismus ohne Frauen nicht wiederzuerkennen, nicht zuletzt, weil sie oft die Besten sind.
Mitunter wird spekuliert, was wohl anders wäre in einer Welt, in der Frauen das Sagen hätten. Die Finanzkrise, so eine These, hätte es ohne die männliche Gier und Risikolust nicht gegeben. Broucek: Ich glaube, dass Frauen einen anderen Zugang, ein anderes Denken besitzen. Doch das heißt nicht, dass sie prinzipiell besser sind. Auch Frauen sind gewalttätig und rücksichtslos. Allein Ihre Frage drängt Frauen wieder in eine Ecke, auch sie haben das Recht, zu gierigen Managerinnen zu werden.
Coudenhove: Im Journalismus ist die Rolle der Männer sicher weniger dramatisch als im Finanzbereich, einfach weil es hier schon sehr viel mehr Frauen gibt. Sonst würde auch nicht so intensiv über die Probleme des alltäglichen Lebens berichtet. Andere Branchen sind noch nicht so weit. Leider führt die Debatte über Frauenquoten dazu, dass Männer nicht immer die besten Frauen auswählen. Oft wird befördert, wer für die Männer am wenigsten gefährlich ist. Aber um jedem Missverständnis vorzubeugen: Ich bin für Quoten, weil sie notwendig sind.
Broucek: Frauenförderung findet zu oft nur auf dem Papier statt. Gerade im öffentlichen Bereich regiert der kleinste Nenner, wobei das bei Männern nicht anders ist. Niemand züchtet sich freiwillig Konkurrenz heran. Auch deshalb führt freiwillige Selbstverpflichtungen nicht zum Ziel.
Coudenhove: Hinzu kommt, dass die Fixierung auf die Spitzenjobs die Katastrophe verdrängt, die bei den Frauen auf untereren Stufen geschieht. Es ist kein Zufall, dass Jobs wie Kindergärtnerinnen oder Pflegerinnen so furchtbar schlecht bezahlt sind.
Gleichstellung ist dieser Tage bei allen Parteien großes Thema, wie steht es um die Glaubwürdigkeit der Politik? Broucek: Ich unterscheide hier nicht zwischen Gesellschaft und Politik, das ist untrennbar verbunden. Was bei vielen Frauen fehlt, ist das Bewusstsein.
Coudenhove: Den kämpferischen Feminismus gibt es tatsächlich nicht mehr, doch nur von alleine geht nie etwas weiter. Aber ich spüre, dass als Folge der Krise wieder mehr Engagement nachkommt.
Gibt es eine Frau, die Sie als ein Vorbild bezeichnen? Coudenhove: Mich hat Marion Gräfin Dönhoff (1909-2002; Anm.), die ehemalige Chefredakteurin der "Zeit", beeindruckt, auch Angela Merkel mit ihrem Pragmatismus finde ich nicht schlecht, weil sie Rollenklischees überwindet.
Und aus Österreich? Coudenhove: Es gibt auch hier viele Frauen, die ihren Job gut machen, aber ich sehe momentan keine herausragenden Figuren.
Broucek: Traurig, aber auch mir fällt bei uns keine einzige Frau in einer Spitzenposition ein, die ich als Vorbild bezeichnen könnte. Solche finde ich eher im privaten Bereich.
Wie sehr hat sich die Diskussion über Frauenrechte durch das Integrationsthema verändert? Plötzlich geht es um das Kopftuch und die Rolle der Frau im Islam. Coudenhove: Ich unterrichte Migrantinnen in Deutsch und finde es den Gipfel der Heuchelei, wenn sich plötzlich Männer aus der superkonservativen Ecke um Emanzipation Sorgen machen, nur weil Frauen ein Kopftuch tragen. Sicher, wir haben es bei Migranten oft mit einer patriarchalischen Kultur zu tun, wo die Frauen zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern - aber das erinnert mich alles sehr an meine Jugend.
Broucek: Es besteht die Gefahr, dass Frauenanliegen in die falschen Hände geraten. Grundsätzlich benötigt es Selbstbestimmung der Betroffenen: Statt über diese, müssen wir mit diesen sprechen.
Stellen Sie sich vor, sie hätten zum 100. Frauentag einen Wunsch frei: Wie würde dieser aussehen? Broucek: Dass nur noch die Kompetenz zählt und sich die Frage, ob die Finanzkrise auch passiert wäre, wenn Frauen regierten, erst gar nicht stellt. Frauen haben auch das Recht, böse zu sein.
Coudenhove: Dass wir endlich zu einer Gesellschaft von Menschen werden und erst in zweiter Linie nach Mann oder Frau eingeteilt würden.
Zu den PersonenBarbara Coudenhove-Kalergi, geboren 1932 in Prag, zählt zu den profiliertesten heimischen Journalistinnen bei "Presse", "Arbeiter Zeitung" und ORF. Heute schreibt sie auch für den "Standard."
Miriam Broucek, geboren 1982 in Tirol, arbeitete ursprünglich als Künstlerin, studierte anschließend Jus; nach einem Praktikum im Finanzministerium arbeitet sie heute in der Finanzbranche.