Japan versucht, mithilfe einer internationalen Konferenz zur Förderung von Frauen sein Image aufzupolieren.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Tokio. Japans Frauen gehören zu den weltweit am besten ausgebildeten und talentiertesten, sagte Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds, zum Auftakt einer dreitägigen Konferenz zur Förderung von Frauen in Tokio. Das Land müsse dieses Potenzial viel stärker nutzen, forderte sie, denn "Frauen können Japan retten". Dazu seien jedoch strukturelle Reformen nötig, appellierte sie an den japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe, der im Publikum saß.
Die Frauenförderung sei laut der Währungsfonds-Chefin umso wichtiger, als Japan als drittgrößte Wirtschaftsnation der Welt so schnell altere wie keine andere. Während Frauen weltweit rund 24 Prozent der Führungspositionen besetzten, erreiche Japan gerade neun Prozent. "Da gibt es noch einiges zu tun", mahnte Lagarde auf der Tagung "World Assembly for Women" (WAW), die Abe initiiert hatte.
Der Ministerpräsident räumte ein, dass Japan "bekanntermaßen kein Einserschüler" bei der Besetzung von Managerposten mit Frauen sei, bemühte sich jedoch, die Maßnahmen seiner Regierung in einem positiven Licht zu präsentieren, darunter die Ernennung von fünf Frauen zu Ministerinnen vor etwa einer Woche. Erstmals bekam dabei eine Frau den Posten der Wirtschaftsministerin.
Abe geht es nicht um Frauen, sondern um Wirtschaft
In ihrem Eröffnungsvortrag, gespickt mit Statistiken und Positivbeispielen aus aller Welt, stellte Lagarde wohl sehr bewusst die wirtschaftlichen Vorteile von mehr Integration von Frauen ins Erwerbsleben in den Vordergrund. Damit setzte sie dort an, wo es viele Firmen und Institutionen am meisten schmerzt: beim Geld.
Vor diesem Hintergrund ist auch das Engagement des japanischen Premierministers für mehr Integration von Frauen ins Arbeitsleben zu verstehen. Denn aus den Worten und Taten Abes spricht weniger der aufrichtige Wunsch, Frauen mehr zu fördern, um Gleichberechtigung zu erreichen. Das wichtigste Ziel für den konservativen Politiker ist vielmehr die Förderung der einheimischen Wirtschaft. Und viele Studien zeigen, dass sich durch mehr Diversität die Produktivität von Firmen steigern lässt.
Bis 2020, dem Jahr, in dem Tokio die Olympischen Spiele ausrichtet, will die japanische Regierung einen 30-Prozent-Anteil von Frauen in Führungspositionen erreicht haben. "Das ist ganz klar ein Ziel, das anspornen soll", sagte einer der geladenen Redner, und als solches sei es durchaus sinnvoll. Denn die Realität sieht bisher weit weniger glanzvoll aus.
Japan landete beim Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums 2013 weit abgeschlagen hinter anderen Industrienationen auf Platz 105 von 136 untersuchten Nationen. Gerade elf Prozent der Parlamentsabgeordneten sind weiblich. Viele Frauen bekämen von den Unternehmen nur Stellen in einer anspruchslosen Laufbahn in der Verwaltung angeboten, kritisierte IWF-Chefin Lagarde. Sie forderte, dass die Unternehmen risikobereiter sein und mehr Frauen für Karriere-Laufbahnen einstellen sollten.
Tagung soll wohl von einem heiklen Thema ablenken
Vor diesem Hintergrund kann Japan als Nation positive PR gut gebrauchen. Premierminister Abe nutzt das Thema Frauenförderung, um sich selbst als modernen Politiker zu präsentieren und Japan als fortschrittliche Nation, die sich auf gleichem Niveau wie andere westliche Industriestaaten bewegt.
Hinter der Organisation der WAW-Tagung mit illustren Gästen aus aller Welt dürfte auch der Versuch der japanischen Regierung stecken, davon abzulenken, dass Japan in den vergangenen Monaten wieder verstärkt sehr negative Presse für den Umgang mit den sogenannten Trostfrauen bekommen hatte. Die japanische Armee hatte im Zweiten Weltkrieg hunderttausende Frauen in mehreren asiatischen Ländern in die Prostitution gezwungen.
Vor allem zwischen Südkorea und Japan ist das ein anhaltender Streitpunkt. Erst im Juli hatte ein Menschenrechtsforum der Vereinten Nationen Japan dazu aufgerufen, unabhängige Untersuchungen zur Versklavung von Frauen in Bordellen während des Zweiten Weltkriegs durchführen zu lassen und sich bei den Opfern zu entschuldigen, bevor es zu spät sei. Der rechtskonservative Premier Abe gehört jedoch zu einer Reihe von japanischen Politikern, die die Gräueltaten der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg abstreiten, auch wenn er sich seit seinem Amtsantritt mit eindeutigen Aussagen dazu zurückgehalten hat.