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Frauen wählen anders

Von Martina Madner

Politik

Männer und Frauen wählten immer schon unterschiedlich. ÖVP und FPÖ legen aber in der Gunst der Wählerinnen zu.


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Wien. Frauen wählen anders als Männer. Bei der Frage "Welche Partei würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Wahlen wären?" schneiden die SPÖ mit 21 Prozent und die Grünen mit 13 Prozent bei Frauen besser ab als bei Männern (20 und 11 Prozent). Der FPÖ würden dagegen mit 22 Prozent mehr Männer als Frauen (19 Prozent) den Vorzug geben. Selbiges gilt auch für die Neos mit zehn Prozent (Männer) zu acht Prozent (Frauen), wie eine Auswertung für die "Wiener Zeitung" der vom Meinungsforschungsinstitut Peter Hajek Public Opinion Strategies für "Profil" erstellten Sonntagsfrage ergibt.

Überraschend ist: Sowohl unter jenen, die die ÖVP zu wählen planen (37 Prozent Frauen zu 34 Prozent Männer), als auch unter jenen, die sich Sebastian Kurz wieder als Kanzler wünschen (34 Prozent Frauen zu 30 Prozent Männer), gibt es einen Frauenüberhang. Auch dass SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner beim männlichen Wahlvolk besser als Kanzlerin ankäme als beim weiblichen, ist ungewöhnlich. Auffällig ist außerdem, dass sich unter jenen, die alle Kanzlerkandidaten ablehnen, deutlich mehr Frauen als Männer sind.

Warum aber planen Frauen bei dieser Wahl, anders zu wählen?

Der Weg von der konservativen zur progressiven Wählerin

Die Momentaufnahme auf das weibliche Stimmenpotenzial für SPÖ und Grüne war für Alexandra Siegl, Meinungsforscherin beim Institut Peter Hajeks, erwartbar. Sie hat im Rahmen einer Uni-Arbeit außerdem Unterschiede im Wahlverhalten zwischen Männern und Frauen analysiert.

"Frauen fühlten sich in den 70ern noch mehr von konservativen und konfessionellen Werten angesprochen, was der ÖVP bei Wahlen sehr stark zugute kam." Von der zunehmenden Erwerbsbeteiligung der Frauen profitierte die SPÖ. "Mitte der 80er Jahre gab es dann eine Neuorientierung der Geschlechter", erläutert Siegl. Vor allem unter den jüngeren Wählerinnen und Wählern ging diese in grob zwei Richtungen: "Während grüne, links-libertäre Parteien eine stärkere Anziehungskraft auf junge Frauen ausüben, stellen rechtspopulistische Parteien vor allem für Männer unter 30 eine attraktive Alternative zu ÖVP und SPÖ dar."

Ergänzt um das Merkmal der Bildung zeigen sich laut Studien von Fritz Plasser und seiner Kollegen noch deutlichere Unterschiede. Bei der Nationalratswahl 2006 erzielten die Grünen bei Frauen unter 30 generell 24 Prozent, bei jenen, die dazu auch noch einen Uni-Abschluss hatten aber 31 Prozent. Und die FPÖ erreichte schon bei der Wahl von 1999 unter jungen, männlichen Facharbeitern nicht nur 27 Prozent, sondern beinahe die absolute Mehrheit.

Themen wie Frauenpolitik, Umweltschutz, Fairness oder Bildung seien Frauen wichtiger als Männern, stellt Siegl fest. "Die aggressive und extreme Sprache schreckt Frauen prinzipiell eher ab, das war und ist eher etwas, was Männer anzieht."

Rechts wählen wird auchfür Frauen attraktiver

Die Tendenzen, dass Frauen eher einer Partei im linken Spektrum ihre Stimme geben und Männer einer im rechten, war aber auch schon einmal deutlicher. Zwar zeigt sich bei den Neos noch, dass "Männer nach wie vor auf wirtschaftlichen Erfolg und Geld fokussiert sind", sagt Siegel. Neu ist aber, dass der Unterschied, was die FPÖ anbelangt, bei den vergangenen Nationalratswahlen deutlicher als in dieser Sonntagsfrage war. Die Sora-Wahlanalyse von 2017 zeigt jedenfalls bei Männern einen 29-prozentigen FPÖ-Anteil, bei den Frauen 22 Prozent - also sieben Prozentpunkte Unterschied - in der Sonntagsfrage sind es aber nur drei Prozentpunkte.

Das kann eine Momentaufnahme sein, sie ist jedenfalls nicht in Form tatsächlichen Wahlverhaltens in Stein gemeißelt. Judith Götz, Politikwissenschafterin, die sich unter anderem als Dozentin an der Universität Wien mit Frauen, rechtskonservativen und rechtsextremen Parteien auseinandersetzt, sieht einen Grund dafür, dass mehr Frauen die FPÖ wählen wollen, in der "demokratischen Legitimierung der Partei bei Wahlen. Das heißt zwar noch lange nicht, dass sie demokratischer als früher ist, aber die Partei scheint auch für Frauen wählbarer zu werden."

Frauenpolitisches dientder FPÖ als Türöffner

Es gibt aber auch inhaltliche Gründe: Die Geschlechterpolitik war und ist zwar nie Hauptmotiv eine Partei zu wählen, auch nicht bei der FPÖ, sagt Götz: "Da geht es eher um Macht-, Privilegien- und Statuserhalt, Österreich zuerst - auch bei Frauen."

Die Behauptung der FPÖ, Frauen zu schützen, habe ihr als "Türöffner gedient, um in den Mainstream zu gelangen". Bereits seit den 90er Jahren instrumentalisierte die FPÖ Migrantinnen als von ihrer eigenen Kultur bedroht - Tradition als Instrument "vor allem, um antimuslimischen Rassismus zu untermauern", stellt die Politikwissenschafterin auch fest.

Der Nebeneffekt: "Wenn man gegen Zwangsverheiratungen oder ein Zwangskopftuch eintritt, wird kaum jemand etwas dagegen haben." Die sexuellen Übergriffe einer Gruppe von Migranten in der Silvesternacht 2015/16 in Köln nützte die FPÖ genauso wie Gewalt durch Migranten oder Flüchtlinge an Frauen hierzulande, um sich als Schutzpartei weißer Österreicherinnen gegen alle Männer anderer Herkunft und Hautfarbe zu präsentieren.

Das hat einen Mehrfachnutzen für die Partei: "Man bietet zwar rassistische, aber scheinbar einfache Lösungen gegen Gewalt an Frauen an." Das kommt an, auch bei den davon möglicherweise Betroffenen. Außerdem werden legitime Ängste und Schutzbedürfnisse vor Gewalt im öffentlichen Raum auf eine Gruppe Fremder externalisiert. "Jeder Onkel, Ehemann, Arbeitskollege wird damit entlastet, auch ein Gewalttäter sein zu können. Die Bedrohung kommt von außen", sagt Götz.

Die ÖVP setzt das gleiche Thema in anderer Verpackung

Sofern sich die Wählerinnen am 29. September so verhalten wie in der Umfrage, wäre auch der Frauenüberhang unter jenen, die ihre Stimme der ÖVP geben, neu. Das war laut Siegl immer ein ausgeglichenes Verhältnis. Bei der vergangenen Nationalratswahl sorgten 33 Prozent der Männer und 30 Prozent der Frauen für ein ÖVP-Gesamtergebnis von 31,5 Prozent.

Dass nun mehr Frauen als Männer (37 zu 34 Prozent) für Kurz und dessen ÖVP zu votieren planen, führt Siegl einerseits auf die neuen Positionen der Partei zurück. "Frauen, die etwas gegen Zuwanderung haben, fühlen sich eher von Sebastian Kurz angesprochen, weil er dieses Thema auch bringt, aber softer als die FPÖ." Unter den Frauen, die ÖVP wählen wollen, befänden sich außerdem eher Ältere und solche, die im ländlichen Raum leben.

Sylvia Kritzinger, Politikwissenschafterin am Institut für Staatswissenschaften in Wien, sieht auch im sogenannten Generationeneffekt eine mögliche Erklärung dafür: "Wenn man älter wird, wird man tendenziell konservativer, sodass manche Frauen wieder nach Parteien rechts der Mitte schielen." Ein weiterer Grund könnte sein, dass solchen Wählerinnen manch progressive Idee, wie jene eines Wohlfahrtsstaates "als bereits in Stein gemeißelt und erreicht erscheint", also keinen Grund mehr bietet, einer Partei, die mehr fordert, die Stimme zu geben.

Frauen wählen nichtunbedingt Frauen

Im ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl 2016 schnitt die einzige weibliche Kandidatin, Irmgard Griss, bei Frauen deutlich besser ab als bei Männern: 26 Prozent der Frauen und zwölf Prozent der Männer bescherten Griss ein Gesamtergebnis von 19 Prozent. Bei den Frauen lag sie damit nur einen Prozentpunkt hinter Hofer, der unter Wählerinnen 27 Prozent erreichte. Für seine Führungsposition (mit 35 Prozent) im ersten Wahlgang sorgten die 45 Prozent der Männer, die für ihn stimmten.

Daraus abzuleiten, dass Frauen eher Frauen wählen, wäre zu kurz gegriffen. Schließlich schneidet Kurz bei Frauen in der Kanzlerfrage besser ab als bei Männer, bei Rendi-Wagner ist es umgekehrt. "Möglicherweise fühlen sich Frauen, die Hausfrau oder Zuverdienerin sind, in ihrer eigenen Lebensentscheidung hinterfragt." Rendi-Wagner spiegle eher die junge, gebildete, urbane Frau. Allerdings votierte genau diese Gruppe auch für Alexander Van der Bellen - der kaum Spiegelbild solcher Frauen ist.

Von Interesse könnte aber auch sein, dass mehr Frauen keine Antwort auf diese Frage gaben. Die Frage spielt bei Nationalratswahlen kaum eine Rolle, das Kreuzerl erhalten die Parteien, Vorzugsstimmen haben im Wahlsystem nur eine untergeordnete Bedeutung, erklärt Kritzinger. Frauen sind auch bei jenen überrepräsentiert, die keinen der Kandidaten oder Kandidatinnen wählen wollten. "Vielleicht sind sie nach Ibiza generell von Politikern enttäuscht", mutmaßt Siegl.

Solche Motive werden erst nach der Wahl erfragt. Bei jenen für Griss war Frau-Sein alleine übrigens auch nicht Programm: Sie überzeugte mit Parteiunabhängigkeit und Kompetenz.