Ein neues Buch über die "Neue Frauenbewegung" will "Handwerkszeug" zum Widerstand sein.
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Seit über 100 Jahren wird der Internationale Frauentag weltweit begangen. Der anfangs sozialistisch geprägte Gedenktag hatte damals, neben dem Weltfrieden, das Frauenwahlrecht als großes Ziel. Das war 1911. Später, in den 70er Jahren, waren Slogans wie "Mein Bauch gehört mir" und der Widerstand gegen Gewalt an Frauen vordergründig. Heute sind diese Forderungen mindestens genauso aktuell: Laut einer EU-weiten Studie wurde jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens Opfer von Gewalt.
Was von vielen jungen Menschen heute als Selbstverständlichkeit angesehen wird, ist ganz und gar nicht selbstverständlich. Das Frauenwahlrecht, Frauen an Schulen und Universitäten - das und vieles mehr war einst nur Männern vorbehalten und wurde von Frauen hart erkämpft. Diese Errungenschaften sind eines von vielen Themen in dem von Käthe Kratz und Lisbeth N. Trallori herausgegebenen Band "Liebe, Macht und Abenteuer. Zur Geschichte der Neuen Frauenbewegung in Wien" (Verlag Promedia).
Es muss etwas geschehen
Damals, im Wien der 1970er Jahre, gab es eine prägende politische Kraft, von der großer Widerstand ausging. Gemeint ist die autonome Frauenorganisation AUF (Aktion unabhängiger Frauen). 32 Repräsentantinnen dieser Bewegung erzählen in dem Sammelband offen über ihre Erlebnisse und Erfahrungen im Zusammenhang mit Feminismus und der Frauenbewegung.
Als Motivation zur Entstehung des Buches nennt die Regisseurin und Schriftstellerin Käthe Kratz die Notwendigkeit, besonders den jüngeren Generationen die Geschichte der Frauenbewegung ins Bewusstsein zu rufen: "Es war der Wunsch, die Frauenbewegung nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Frauen werden heute in vielen Belangen untergebuttert, aber ich nehme so wenig Widerstand wahr. Da kam der Gedanke auf, dass etwas geschehen muss." Es ist noch gar nicht so lange her, da mussten verheiratete Frauen ihren Ehemann um Erlaubnis fragen, wenn sie arbeiten gehen wollten. Der Mann war das Oberhaupt der Familie und durfte über alles und über alle in der Familie bestimmen. Diese Zeiten sind zwar vorbei, aber "wenn wir nicht über die eigene Geschichte Bescheid wissen, haben wir ein Problem, sowohl in der Gegenwart, als auch in der Zukunft.", mahnt Kratz, "Das Buch soll eine Art Handwerkszeug für Frauen sein, um vielleicht einen neuen Widerstand wachzurufen."
Wahlrecht und Weltfrieden
Der Internationale Frauentag wird weltweit am 8. März begangen. Heuer zum 103. Mal. Die Idee entstand auf der zweiten Internationalen Frauenkonferenz der Sozialdemokratischen Partei in Kopenhagen im August 1910, wo die deutsche Sozialistin Klara Zetkin den Weltfrauentag einforderte. Die Hauptanliegen damals waren die Einführung des Frauenwahlrechts, Gleichberechtigung und Weltfrieden. Am 19. März 1911 wurde der erste Frauentag in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz gefeiert. In Wien demonstrierten rund 20.000 Menschen für die Frauenrechte und besonders für das Wahlrecht der Frauen, das in Österreich am 12. November 1918 eingeführt wurde. 1921 wurde in Moskau der 8. März als Gedenktag vorgeschlagen, nachdem am 8. März 1917 anlässlich des Internationalen Frauentages in St. Petersburg Frauen demonstrierten und damit die Februarrevolution auslösten.
Die nächste große Errungenschaft war die Abschaffung des Abtreibungsparagraphen 144 im Jahr 1975. Ein Schwangerschaftsabbruch war nun innerhalb der ersten drei Monate straffrei. Käthe Kratz erinnert sich: "Obwohl mich das Thema Abtreibung nicht persönlich betroffen hat, war die Forderung für mich sofort nachvollziehbar. Hier geht es nicht nur um die Straffreiheit der Frau, sondern um Autonomie - nicht nur über Frauenkörper, sondern auch über Frauenleben, Frauenexistenzen." Die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit ist bis heute nicht erfüllt. Die Einkommensschere in Österreich ist im Vergleich zu anderen EU-Staaten weit geöffnet. Auch die Kindererziehung und der Haushalt bleiben weiterhin hauptsächlich an den Frauen hängen. Nur fünf Prozent der österreichischen Männer gehen in Karenz - und bekommen dafür Applaus, während es bei Frauen als "normal" gilt.
Perfide Antwort
Käthe Kratz sieht Handlungsbedarf: "Das Perfide ist, dass nach außen hin permanent ein anderes Bild vermittelt wird, nämlich dass es bereits Gendering gibt (Bestrebung, die Gleichstellung der Geschlechter in Sprache und Gesellschaft zu etablieren und dem Sexismus entgegenzuwirken. Anm.) und daher alles gut ist. Dieses Bild wird in einer derartigen Massivität gestreut, obwohl es noch lange nicht zur Realität geworden ist." Dabei wird die Situation laut Kratz so dargestellt, als wären die Frauen selbst schuld, wenn ihnen die Doppel- und Vielfachbelastung nicht gelingt. "Das ist dann die unglaublich perfide Antwort. Diese Situation erfordert ein Umdenken, und es wäre schön, wenn unser Buch einen kleinen Beitrag dazu leisten könnte."