Ein striktes Nein zur Anhebung des Frauenpensionsalters bereits ab 2005 anstatt 2019 kam am Mittwoch aus allen politischen Lagern. Eine von der Regierung eingesetzte Expertenkommission hatte zuvor einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet. Anfreunden konnte sich damit weder die Regierung, noch Opposition, Gewerkschaft und Arbeiterkammer.
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Der Sozialrechtler Ulrich Runggaldier, Leiter der Expertengruppe, sorgte mit seinem Vorschlag, das Pensionsalter für Frauen schon ab 2005 schrittweise auf 65 Jahre anzuheben und damit an jenes der Männer anzugleichen, für eine heftige, aber sehr kurze Debatte. Sein Argument: Die Ausweitung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Pension sei ein zentrales Anliegen gewesen, doch eine solche Maßnahme müsse auch finanziert werden. Dafür sei die Angleichung des Pensionsalters die beste Möglichkeit.
"Völlig unrealistisch", hieß es seitens des Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel. Das Thema sei von der Regierung weder diskutiert noch vorgegeben worden. Auch Sozialminister Herbert Haupt brachte seine Ablehnung zum Ausdruck. Ebenso hätte die überwiegende Mehrheit der Arbeitsgruppe dem geäußerten Vorschlag nichts abgewinnen können, stellte Haupt klar. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein erklärte am Rande einer Pressekonferenz: "Expertenvorschläge sind Expertenvorschläge".
Für ÖVP-Klubobmann Andreas Khol hat die Verfassungsbestimmung aus dem Jahr 1993 Gültigkeit. Demnach soll die Angleichung des Pensionsalters erst mit 1. Jänner 2019 beginnen. Ab diesem Stichtag soll das Frühpensionsalter der Frauen jährlich um sechs Monate erhöht werden. Ziel der Bundesregierung sei es, dass das tatsächliche Antrittsalter von Männern und Frauen steigt - und zwar in Richtung des gesetzlichen Pensionsalters von 65 Jahren für Männer und 60 Jahren für Frauen.
Die Opposition hingegen vertraut nicht auf die Dementi der Regierungsparteien und fürchtet eine Abschaffung der Frauenpolitik. Die Frage sei auch in der SPÖ-Parteipräsidiumssitzung behandelt worden, betonte Parteichef Alfred Gusenbauer im Anschluss daran und sprach von einem "Bruch des Vertrauensgrundsatzes". Die Situation der Frauen würde damit nicht verbessert, sondern verschlechtert - die Arbeitslosigkeit unter den älteren Arbeitnehmerinnen würde rapide ansteigen, so Gusenbauer.
Auch die Grünen warfen der Regierung "Frauenfeindlichkeit" vor. Von einer tatsächlichen Gleichstellung sei man "meilenweit entfernt", betonte Sozialsprecher Karl Öllinger.
Ebenso verwies AK-Präsident Herbert Tumpel auf den Vertrauensgrundsatz. Wer das unterschiedliche Pensionsalter ändern will, der solle sagen, was sich an der Begründung aus dem Jahr 1992, als der altersmäßige Unterschied in die Verfassung aufgenommen wurde, geändert habe. Dem Gesetzesbeschluss mit Zwei-Drittel-Mehrheit war damals ein Erkenntnis des VfGH voran gegangen.
Ein "klares Nein" kam auch von den ÖGB-Frauen. Vorsitzende Renate Csörgits verwies hingegen auf weiter bestehende Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern. Von einer Offensive der Bundesregierung zur Förderung der Chancengleichheit merke sie nichts.
Ex-Frauenministerin Johanna Dohnal sprach sogar von einem "Merkmal dieser Regierung, Experten vorzuschicken und einen Luftballon steigen zu lassen". Höchste Aufmerksamkeit sei geboten, appellierte sie an die Oppositionsparteien.
Die Altersgrenze für die Alterspension soll laut Gesetz erst ab 2024 von derzeit 60 Jahren jährlich um ein halbes Jahr angehoben werden. Damit werden die Frauen das Pensionsalter der Männer von 65 Jahren erst 2033 erreichen.