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"Frauenquote ist Gebot der Stunde"

Von Brigitte Pechar

Politik
Gabriele Heinisch-Hosek bleibt bei ihrem Veto: Pränatalmediziner dürfen nicht aus der Haftung entlassen werden. Foto: WZ/Moritz Ziegler

Für neues Beamtendienstrecht fehlt das Geld. | Lehrer-Dienstrecht spätestens 2014. | Gegen eine gemeinsame Obsorge mit Automatik. | "Wiener Zeitung": Beamte und Lehrer sollen ein neues Dienstrecht erhalten. Wie weit sind die Verhandlungen gediehen? | Gabriele Heinisch-Hosek: Beim Beamtendienstrecht muss man die verschiedenen Gruppen und Strukturen berücksichtigen. Polizisten und Verwaltungsbedienstete sind unterschiedlich zu behandeln. Für alle gilt aber gleichermaßen: Wir wollen höhere Einstiegsgehälter und dann eine Abflachung der Gehaltskurve.


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Das wird in den ersten zehn Jahren nach Einführung sicherlich zu Mehrkosten führen. Dafür gibt es aber im Moment kein Geld.

Kommt das noch in dieser Legislaturperiode?

Eine Besoldungsreform ist derzeit nicht absehbar.

Bei den Lehrern muss es aber rascher gehen. Die Ministerinnen Claudia Schmied und Beatrix Karl sind bereits dabei, eine gemeinsame Lehrerausbildung zu implementieren. Die Eckpunkte dafür sollen noch im Sommer fertig sein. Wann kommt das gemeinsame Dienstrecht?

Bei den Lehrern müssen wir zügig zu einem Abschluss kommen. In diese Verhandlungen muss aber jedenfalls das Finanzministerium eingebunden werden. Das ist notwendig, um die Finanzierung zu gewährleisten. Bis die neue gemeinsame Lehrerausbildung greift, wird das neue Dienst- und Besoldungsrecht für die Lehrer abgeschlossen sein, also spätestens 2014.

Für Ihre Quotendiskussion haben Sie derzeit ein günstiges Umfeld. In Deutschland setzen sich konservative Ministerinnen für eine Frauenquote in Aufsichtsräten ein, auf EU-Ebene drängt Justizkommissarin Viviane Reding ebenfalls auf eine verbindliche Quote. Wann sind wir in Österreich so weit?

Der frische Wind aus den EU-Staaten und der Kommission hilft. Nur mit Freiwilligkeit kommen wir nicht weiter. Wir haben derzeit in den Aufsichtsräten eine Frauenquote unter zehn Prozent, in den Vorstandsetagen knappe fünf Prozent. Die Männernetzwerke sind sehr dicht, eine Quotenregelung ist daher ein Gebot der Stunde. Ich werde kommende Woche mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner dazu Gespräche führen.

Welchen Frauenanteil streben Sie bis wann an?

Wir werden sicherlich nicht in drei Jahren 40-Prozent-Quoten in Aufsichtsräten erreichen, aber bis 2018 sollte das machbar sein. Ich bin bereit, in einem ersten Schritt eine Selbstverpflichtung - etwa über den Corporate-Governance-Codex - zu akzeptieren. Wenn aber bis 2014 damit nicht 25 Prozent Frauen in Aufsichtsräten vertreten sind, muss es eine gesetzliche Regelung geben. Da muss sich auch die Bundesregierung selbst verpflichten und in staatsnahen Unternehmen Druck machen.

Am 23. Februar endet die Begutachtungsfrist für das Schadenersatzrechts-Änderungsgesetz. Bleiben Sie bei Ihrer Ablehnung gegen ein Haftungsprivileg für Pränatalmediziner?

Ich werde, wenn der Gesetzesentwurf so eingebracht wird, wie er vorgesehen war, ein Veto im Ministerrat einlegen. Es kann nicht sein, dass eine Gruppe von Ärzten aus der Haftung entlassen wird, das wäre auch gleichheitswidrig. Den Begriff "Kind als Schaden" gibt es in diesem Zusammenhang auch nicht. Ein Kind kann niemals ein Schaden sein. Vielmehr geht es um den Ersatz von Unterhaltsleistungen, wenn ein behindertes Kind zur Welt kommt. Die Ärzte haben alle erdenklichen Entscheidungsgrundlagen zu liefern und daher auch alle notwendigen pränatalen diagnostischen Maßnahmen zu setzen. Das Entscheidungsrecht, ob sie dem Leben mit einem behinderten Kind gewachsen ist, muss bei der Frau liegen. Ich möchte auch keine Diskriminierung von behinderten Kindern, aber diese Diskussion darf nicht mit Haftungen verknüpft werden. Ganz allgemein kann man über Hilfe mittels eines Spezialfonds reden. Aber dann muss dieser für alle behinderten Kinder gelten, nicht nur für jene, die aufgrund von Diagnosefehlern geboren wurden. Da braucht es Zusagen des Finanzministeriums.

Behindertenanwalt Erwin Buchinger hat zur Diskussion gestellt, ob die Abtreibung behinderter Föten nicht verboten werden sollte.

Hier scheiden sich die Geister. Bis zur zwölften Schwangerschaftswoche soll ohne Angabe von Gründen abgetrieben werden können. Wenn schwerste Behinderungen vorliegen, muss die Entscheidung bei der Frau liegen, auch nach der zwölften Woche. Embryopathische Indikatoren dürfen nicht ausgehöhlt werden.

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat in einem Sorgerechtsstreit einem österreichischen Vater recht gegeben. Beanstandet wurde, dass ein gemeinsames Sorgerecht vom österreichischen Gericht gar nicht geprüft wurde. Hilft oder schadet dieses Urteil bei Ihrer Ablehnung des automatischen gemeinsamen Sorgerechts?

Diese Entscheidung stellt das Interesse des Kindes in jedem Einzelfall in den Mittelpunkt. Das Entscheidende ist, dass die Gerichte in Zukunft prüfen müssen, was das Beste für das Kind ist. Ich interpretiere das Urteil so, dass damit die automatische gemeinsame Obsorge vom Tisch ist. Es geht um die Einzelfallprüfung und das Wohl des Kindes.

In der Gesellschaft besteht der Eindruck, dass immer mehr Burschen abdriften, während die Mädchen zielstrebig ihren Weg verfolgen. Braucht es mehr Unterstützung für die Buben?

Ich sehe Buben nicht als Opfer. Vielmehr muss man der Ästhetisierung der Jugend entgegenwirken. Vor allem die Mädchen eifern einem Frauenbild der Modewelt nach und leiden zunehmend an Essstörungen. Da gilt es, präventiv zu wirken und das Selbstbewusstsein zu stärken.

Gabriele Heinisch-Hosek (50), SPÖ, ist seit 2. Dezember 2008 Frauen- und Beamtenministerin. Sie war zuvor Landesrätin für Gesundheit, Soziales und Jugend in Niederösterreich. Siehe auch:Obsorge-Urteil entzweit Regierung

+++ Deutschland streitet über Quoten