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#FreeDeniz

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Zur Inhaftierung von Deniz Yücel.


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Diese Woche fand in Wien ein Autokorso unter dem Slogan #FreeDeniz statt. Deniz, das ist Deniz Yücel, ein ehemaliger "taz"-Kollege, der nun als Türkei-Korrespondent der "Welt" in Istanbul in Untersuchungshaft sitzt. Die Vorwürfe lauten: "Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung."

Die Konstruiertheit der Vorwürfe ist schon an der Konstruktion ablesbar: Zum einen soll Yücel Propaganda sowohl für die kurdische Arbeiterpartei PKK als auch für Fethulah Gülens Sekte gemacht haben. Zwei verfeindete Gruppierungen! Zum anderen aber wird der Vorwurf der "Propaganda" etwa an der Bezeichnung "Oberbefehlshaber" für PKK-Chef Abdullah Öcalan aufgehängt. Oder am Zitat eines anti-türkischen Kurdenwitzes. Selbst der türkische AKP-Politiker Mustafa Yeneroglu meinte, der Propagandabegriff sei hier "zu weit ausgelegt" worden. Zur Vorgeschichte von Yücels Inhaftierung gehört eine unbequeme Frage bei einer Pressekonferenz vor gut einem Jahr. Der damalige türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu meinte danach: "Jeder kann fragen, was er will. Aber er bekommt auch die Antwort, die er verdient." Für die AKP ist Yücel seither "mehr Aktivist als Journalist".

Was aber macht Yücel zum Aktivisten? Dass er eine politische Meinung hat? Man muss ganz klar festhalten: Der Unterschied zwischen Aktivisten und Journalisten ist nicht einer der Meinung. Auch Journalisten können, nein müssen Meinungen haben. Der Unterschied zwischen Aktivisten und Journalisten liegt im Handeln, in der Art des Handelns. Ein Unterschied also im Tun. Und Yücel war eindeutig in seinem Handeln: Er schrieb Artikel. Das ist Journalismus. Aber er war auch eindeutig in seinen Meinungen. Auch das ist Journalismus.

Die Proteste gegen seine Inhaftierung waren Autokorsos in Wien und elf anderen Städten. Ein Autokorso ist eine Autokolonne, die langsam und laut hupend durch die Innenstadt fährt - eine südländische Art des Feierns bei Hochzeiten oder Siegen, die bei Türken, namentlich bei Auslandstürken, sehr beliebt ist. Sie sind Teil der Gastarbeiterkultur. "Voll das Türkenklischee", wie Doris Akrap in der "taz" schrieb.

Yücel wurde als Sohn türkischer Eltern in Deutschland geboren. In Flörsheim. Und er liebt Autokorsos. Nicht weil er so türkisch wäre, sondern gerade weil er so deutsch-türkisch ist. So deutsch, dass er mit türkischen Klischees spielen kann. Dass er sie sich ironisch aneignen kann. Camp nennt man solch einen ironischen, liebevollen und sentimentalen Umgang mit ernsten Formen. Deniz ist ein campiger Deutsch-Türke oder ein Türken-Deutscher - jemand also, der die Souveränität des Uneindeutigen hat. Nun sitzt er für beides: für die Eindeutigkeit seiner Meinungen und für die Uneindeutigkeit seiner Identität, seiner Zugehörigkeit. Diese soll wieder eindeutig gemacht werden.

Deniz Yücel ist nicht nur ein Symbol für alle 150 inhaftierten Journalisten in der Türkei (nicht zufällig in Haft vor Recep Tayyip Erdogans Wahlkampftournee nach Deutschland).

Er ist auch ein Symbol für Erdogans Krieg gegen die Medien. Die Expansion des Autoritären macht Journalisten zu einer Berufsgruppe, die an der Front steht. #FreeDeniz