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Vorgestern Abend begann in der ARD die Serie "Klemperer · ein Leben in Deutschland". In zwölf Teilen wird sie die Lebens- und Leidensgeschichte des deutschen Romanistikprofessors jüdischer
Herkunft nacherzählen, der in einem bedeutenden Tagebuch das Leben in der Hitler-Diktatur beschrieben hat. (In der vergangenen Woche berichtete ein "Linsengericht" darüber.)
Diese Tagebuchaufzeichnungen wurden nun also · naturgemäß "sehr frei" · verfilmt und der Pilotfilm lässt eine beeindruckende Produktion erwarten. Das ist vor allem einem Schauspielerensemble zu
danken, das sich auf Nuancen und Zwischentöne versteht. Gut gelang z. B. die Szene, in der sich Klemperer noch über den frisch erworbenen Führerschein freut, während sein Freund und Kollege Abendroth
bereits begreift, dass alle Normalitätsanstrengungen umsonst sein werden. In solchen Szenen wurde die Gefährdung der Juden greifbar deutlich · doch wurden zugleich die kleinen Siegesbemühungen
verständlich, mit deren Hilfe sich das Ehepaar Klemperer über Wasser zu halten versuchte.
Nun erzählte Victor Klemperer in seinem Tagebuch nicht nur Geschichten aus dem Alltagsleben. Er führte auch systematische Analysen des NS-Sprachgebrauchs durch. Da Philologenarbeit aber ein
undankbares Filmsujet ist, kam sie am Dienstag kaum zur Geltung. Ob sie in den weiteren Folgen so gewürdigt wird, wie sie es verdienen würde, bleibt abzuwarten.