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Charles Taylor herrschte mit Gewalt und Kindersoldaten. | Den Haag/Wien. Charles Taylor ist ein Pedant. Mit goldumrandeter Brille und in einem wie angegossen sitzenden Anzug nimmt Liberias Ex-Präsident vor dem Sondertribunal für Sierra Leone Platz, seine Schreibstifte und Unterlagen auf der Anklagebank sind in Reih und Glied geordnet.
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Charles Taylor ist ein Unschuldslamm, zumindest nach eigener Darstellung. Dass Menschen getötet und Frauen vergewaltigt werden, sei für ihn inakzeptabel, beteuerte der ehemalige Baptistenprediger, der sich gerne mit Jesus Christus vergleicht. Ganz anders sieht das die Anklage in Den Haag: Sie wirft dem 62-Jährigen unter anderem Kriegsverbrechen, Plünderung und die Rekrutierung von Kindersoldaten vor. Und auch die historischen Ereignisse erzählen die Geschichte eines rücksichtslosen Freibeuters und Kriegsherren.
1989 stürzte der Warlord mit seiner Armee von Kindersoldaten den damaligen Diktator Liberias, Samuel Doe. Die Bevölkerung bekam gleich einen Vorgeschmack, was sie unter Taylors erwarten sollte: Taylors Häscher schnitten Doe die Ohren ab, das Video wurde später auf den Straßenmärkten Liberias verkauft. Taylor wurde Herrscher in einem Land, in dem ein permanenter Bürgerkrieg tobte. Seine Einheiten plünderten, vergewaltigten und mordeten. 2003 wurde er gestürzt, danach kehrte langsam Frieden ein.
Mitgemischt hat Taylor zudem beim Bürgerkrieg im benachbarten Sierra Leone und die Rebellen der Vereinigten Revolutionsfront (RUF) unterstützt. Das Markenzeichen der RUF war das Abhacken der Arme von Zivilisten. Der Bürgerkrieg dauerte von 1991 bis 2002 und kostete etwa 120.000 Menschen das Leben. Wegen der Geschehnisse in Sierra Leone sitzt Taylor nun auf der Anklagebank in Den Haag.
Taylor lieferte die Waffen, bekam im Gegenzug Diamanten und scheffelte dadurch Millionen. Es gibt Berichte der UNO und von Nichtregierungsorganisationen über die schmutzigen Geschäfte des Kriegsfürsten, und für politische Beobachter besteht nicht der geringste Zweifel, dass Taylor die RUF finanzierte. Doch es ist etwas anders, vor einem Gericht hieb- und stichfeste Beweise zu liefern. Der Anklage fiel es laut Prozessbeobachtern bisher schwer, eine direkte Verbindung zwischen Taylor und den Blutdiamanten herzustellen.