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Freie Arztwahl in EU rückt näher

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Krankenkasse nicht mehr vorab zu informieren. | Für stationäre Behandlungen ist Genehmigung nötig. | Brüssel. Für Patienten rückt die freie Arztwahl in der EU in greifbare Nähe. Denn kommenden Mittwoch segnet das EU-Parlament eine Neuregelung der grenzüberschreitenden Patientenrechte ab, über die es jahrelangen erbitterten Streit gegeben hat. Demnach dürfen EU-Bürger sich in jedem Mitgliedstaat ambulant behandeln lassen, ohne ihre heimische Krankenversicherung vorab zu informieren. Die muss die Behandlung bis zu jenem Betrag begleichen, der auch im Heimatland des Patienten angefallen wäre.


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Ebenfalls genehmigungsfrei bleiben Notfälle und Akutbehandlungen, die bereits heute von der Krankenversicherungskarte E-Card abgedeckt sind. Rezepte, die in einem EU-Land verschrieben werden, müssen in jedem anderen eingelöst werden, wo das Medikament nicht verboten ist.

Weiterhin genehmigungspflichtig sind in den meisten Fällen allerdings stationäre Behandlungen - vor allem dann, wenn der Krankenhausaufenthalt 24 Stunden übersteigt und/oder sehr spezialisierte und kostspielige Verfahren zu Anwendung kommen. Ablehnen darf die Krankenversicherung aber nur in Ausnahmefällen. Diese liegen etwa vor, wenn dieselbe Behandlung im Inland innerhalb einer medizinisch vertretbaren Frist durchgeführt werden kann, es sich um sehr riskante oder ethisch im Inland nicht vertretbare Verfahren handelt.

Warten auf Operation

Patienten auf langen Wartelisten für eine bestimmte Operation gehören nach Einschätzung von Peter Liese, CDU-Gesundheitsexperte im EU-Parlament, daher zu den ersten Nutznießern des neuen Gesetzes. Unangemessene Wartezeiten werde es in Zukunft keine mehr geben.

Bei der neuen EU-Richtlinie, die voraussichtlich Ende 2012 in Kraft tritt, handelt es sich im Wesentlichen um die Kodifizierung der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs. Der hat bereits in mehreren Fällen den grundsätzlichen Anspruch von Behandlung im EU-Ausland bestätigt. Künftig bleiben Patienten langwierige Gerichtsverfahren daher erspart.

Dass dadurch die Anzahl grenzüberschreitender Patienten deutlich ansteigt, erwartet die EU-Kommission nicht. Hat das Zielland keine freien Spitalkapazitäten, darf es die Aufnahme zudem ablehnen. Die Fälle konzentrieren sich vor allem auf Grenzregionen, seltene Krankheiten und Gebiete mit starkem Tourismus. Ein Prozent der gesamten EU-Gesundheitsausgaben oder rund 10 Milliarden Euro kostet das derzeit.

Und nach wie vor nicht ganz klar ist, wie die Eintreibung der Forderungen von Krankenhäusern gegenüber ausländischen Krankenversicherungen laufen soll. Diese Regelungen sind in den EU-Ländern unterschiedlich. Während etwa in Belgien üblicherweise nur gegen Vorkasse behandelt wird, schulden italienische Krankenversicherungen österreichischen Spitälern laut ÖVP-Europaabgeordneten Richard Seeber um die 40 Milliarden Euro. Nach dem neuem EU-Gesetz müssen die Staaten geeignete Mechanismen für die Begleichung der Rechnungen schaffen.