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Freie Bahn am offenen Gasmarkt

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Mit dem heutigen Tag dürfen nun auch Haushalte ihren Gasversorger wählen. Österreich ist mit dem vollständig liberalisierten Markt Vorreiter in Europa - einzig Großbritannien öffnete noch früher. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein erwartet sich durch diesen weitreichenden Liberalisierungsschritt Einsparungen pro Haushalt bis zu 100 Euro innerhalb der nächsten zwei Jahre. Der Verband Gas & Wärme rechnet hingegen mit steigenden Gaspreisen, da das neue Marktmodell zusätzlichen Verwaltungsaufwand und Kosten schaffe.


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Ab heute kann jeder Haushalt innerhalb von 8 Wochen seinen Gasversorger wechseln. Er muss lediglich den lokalen Versorger über diesen Wunsch informieren. Die Leitungskapazität gehört dem Kunden.

Doch wie die Wiengas in ihrer laufenden Werbekampagne verkündet: Es gibt Interessanteres, als über den Gasversorger nachzudenken. Bei Wiengas ist man sich jedenfalls sicher: Nur wenige Kunden erwägen einen Wechsel. Dies belegte erst unlängst eine Studie eines Beratungsunternehmens. Nur 1% der Befragten war entschlossen, einen neuen Gaslieferanten zu wählen. Ein Grund: Es gibt noch keine alternativen Anbieter am Markt. Im Osten Österreichs wird die Econgas - das Konsortium aus OMV, Wiengas, EVN und Oberösterreichischer Ferngas, rund 80 % des Marktes beherrschen. Sie will allerdings in ganz Österreich Geschäfte machen. Geplant ist eine Kooperation der Salzburg AG mit Ruhrgas. Die Vertriebstochter soll ebenfalls den ganzen Markt beackern. Trotz fehlender Anbieterpalette erwartet sich Minister Bartenstein, dass vor allem Haushalte, die mit Erdgas heizen, sowie kleinere und mittlere Gewerbebetriebe ihre Rechnung genau prüfen und im Falle billigerer Alternativen den Versorger wechseln werden.

Bartenstein optimistisch, Gasversorger eher skeptisch

Bartenstein geht von äußerst optimistischen Voraussetzungen aus - die Gasversorgungsunternehmen sprechen jedoch von überzogenen. Er erwartet für die 1,2 Millionen Gashaushalte eine Ersparnis von bis zu 100 Mill. Euro pro Jahr. Die argumentative Schützenhilfe leistet ihm dabei Energie-Regulator Walter Boltz. Dieser rechnet damit, dass die Erdgasunternehmen mit relativ hohen Spannen auf dem Einstandspreis die Preise merklich senken werden.

So ist es für die Energie-Control nicht einzusehen, dass beispielsweise die Preise der Grazer Stadtwerke über jenen der Steirischen Ferngas oder Wiengas liegen. Denn die Preise gestalteten sich ab Grenze Baumgarten für alle Netzbetreiber gleich, und daher seien die unterschiedlich hohen Gaspreise nicht zu rechtfertigen.

Die Gasbranche kritisiert den aufgrund der Liberalisierung benötigten Verwaltungsaufwand und die größere Fehleranfälligkeit durch die nunmehr höhere Komplexität des Systems. Der Verband Gas & Wärme hält die vom Wirtschaftsminister angekündigten Verbilligungen für nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil, die Liberalisierungskosten müssten in den Netz- und Gaskosten untergebracht werden, was unweigerlich zu einer Erhöhung der Gaspreise führen würde.

1 Jahr Stromliberalisierung

Eine positive Bilanz zog der Wirtschaftsminister gestern vor Journalisten anläßlich "eines Jahres freier Strommarkt". Knapp 2% der Haushalte und 11% der Gewerbebetriebe hätten den Lieferanten gewechselt. Vor allem für die Industrie und Großkunden hätte sich der geöffnete Strommarkt gerechnet. "Die Netztarife wurden um 17%, das sind rund 145 Mill. Euro, gesenkt." Und ab 2004 soll ein neues Benchmark-System die Netzbetreiber zu weiteren Einsparungen zwingen.

Kritik kommt vom SP-Energiesprecher Georg Oberhaidinger: "Die Aufträge zur Stromliberalisierung an Coopers & Laybrand Management ist rechtswidrig erfolgt. Sie hätte ausgeschrieben werden müssen." Oberhaidinger mutmaßt sogar Parteieinfinanzierung, da der Consulter auch für den VP-Klub arbeite. Wenig Freude mit dem freien Strommarkt hat die Umweltschutzorganisation Global 2000. Seit einem Jahr sei der Atomstromanteil kontinuierlich gestiegen und liege nun bei 15%, kritisiert Energieexperte Heinz Högelsberger. Als Atomkraft-Spitzenreiter erwiesen sich die EVN und die TIWAG: Jede fünfte verkaufte Kilowattstunde stamme aus einem Atomreaktor. Auch der Wirtschaftsminister kommt nicht gut weg: Sein Versprechen, dass jeder Haushalt rund 70 Euro sparen könnte, habe sich nicht realisiert. Strom wurde lediglich für Großabnehmer billiger.