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Freier Handel oder fairer Handel?

Von Sergi Corbalán

Gastkommentare
Sergi Corbalán leitet das Fair Trade Advocacy Büro (FTAO) in Brüssel. Das FTAO ist eine gemeinsame Initiative von Fair Trade International, der European Fair Trade Association und der World Fair Trade Organisation-Europe. Die Fairtrade-Bewegung umfasst rund 2,5 Millionen Produzenten und Arbeiter in 70 Ländern der Welt, 24 Fair-Trade-Gütesiegel-Initiativen, 500 spezialisierte Importorganisationen, 4000 Weltläden und mehr als 100.000 freiwillig Engagierte (www.fairtrade-advocacy.org).

Die EU sollte eine Fair-Trade-Strategie umsetzen. Aber auch Unternehmen und Konsumenten spielen dabei eine wichtige Rolle.


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Trotz der alarmierenden Ergebnisse rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien bei den EU-Wahlen zeigt eine aktuelle Eurobarometer-Umfrage, dass Werte wie Menschenrechte, Geschlechtergerechtigkeit und Solidarität mit Menschen in armen Ländern von einer Mehrheit der 16- bis 30-Jährigen stark befürwortet werden. Die Studie macht zudem deutlich, dass insgesamt 45 Prozent der Befragten (63 Prozent in Österreich) den Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit und 28 Prozent (23 Prozent in Österreich) die Förderung von fairem Handel für eine Priorität halten, die die EU im Umgang mit Schwellen- und Entwicklungsländern verfolgen sollte.

Fairer Handel ist jedoch weit von einer Vorrangstellung in der EU-Handelspolitik entfernt. Diese zielt vor allem darauf ab, im Ausland Märkte für große europäische Unternehmen zu öffnen. Angesichts der Tatsache, dass 40 Prozent des EU-Budgets dafür verwendet werden, die EU-Landwirtschaft - vor allem Großbetriebe - zu subventionieren, kann schwerlich von freiem Handel die Rede sein, wie dessen Fürsprecher behaupten. Diese unfaire Handelspolitik nützt nur Multis und Agrarkonzernen.

Die Fair-Trade-Bewegung ist aus der Überzeugung entstanden, dass "Handel statt Hilfe" letztlich der Schlüssel für eine nachhaltige Lebensgrundlage derer sein kann, die durch herkömmlichen Handel benachteiligt werden. In Österreich wurden 2013 mehr als 130 Millionen Euro für Fair-Trade-zertifizierte Produkte ausgegeben, um 21 Prozent mehr als 2012. Nicht eingerechnet sind dabei nicht mit dem Fair-Trade-Siegel zertifizierte Produkte aus fairem Handel.

Um aber grundlegende Verbesserungen zu erreichen, müssen auch die Regeln und Praktiken des internationalen Handels fairer werden. Deshalb fordert die Fair-Trade-Bewegung in einem Manifest von der EU, unter anderem bessere Rahmenbedingungen für fairen Handel zu schaffen und das ungleiche Kräfteverhältnis in Lieferketten zu verbessern - ein Marktversagen, das oft zur Verletzung von Menschenrechten benachteiligter Kleinproduzenten und Arbeitern führt. Mehr als 500 Kandidaten zum EU-Parlament, darunter 13 aus Österreich, haben das Manifest unterzeichnet und sich damit verpflichtet, sich für faire Handelsbedingungen einzusetzen. 117 davon wurden ins Parlament gewählt. Auch Jean-Claude Juncker und Martin Schulz haben es unterzeichnet. Die Organisationen des Fairen Handels werden auf die Umsetzung der Forderungen des Manifests pochen.

Handel fair zu gestalten, liegt jedoch nicht in der alleinigen Verantwortung der EU. Auch Unternehmen, Konsumenten, Entscheidungsträger auf lokaler und regionaler Ebene kommt eine bedeutende Rolle zu. 2015 wurde zum "Europäischen Jahr für Entwicklung" erklärt. Wir hoffen, dass in diesem Rahmen die wachsende politische Unterstützung für fairen Handel endlich auch dazu führt, den "Business as usual"-Zugang, der die EU-Handelspolitik prägt, zu verändern und eine europäische Fair-Trade-Strategie umzusetzen, damit der Handel noch viel stärker als bisher zugunsten benachteiligter Arbeiter und Kleinproduzenten wirksam wird. Vielleicht sollte die EU im Lichte der jüngsten Studie dabei mehr auf die Stimmen junger Menschen hören.