Vor EU-Wahl nimmt Wiener SPÖ Freihandelsabkommen mit den USA aufs Korn und warnt vor Nachteilen für die Kommunen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Beim Wasser hat es funktioniert. Die Wiener SPÖ hat ihre Angst vor Privatisierung medial breit thematisieren können. Jetzt, kurz vor der EU-Wahl, probiert sie es mit dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA: Die geplante "Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft" (TTIP) verspricht laut konservativen Kräften Beschäftigung, Wirtschaftsimpulse und dementsprechende Wachstumseffekte - ein "Boost" für die Weltwirtschaft.
Bei den Sozialdemokraten sieht man das naturgemäß anders: Sie befürchten vor allem, dass unsere sozialen, rechtsstaatlichen und wirtschaftlichen Standards dadurch ausgehöhlt werden. Vizebürgermeisterin Renate Brauner spricht sogar von einem "Angriff" auf wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge. "Mit dem TTIP sollen sogenannte nicht-tarifäre Handelshemmnisse reduziert werden. Das heißt, alles, was es an Regelungen gibt, soll an das unterste Niveau angeglichen werden", erklärt Brauner.
Chlorhuhn als Gefahr
Wenn man also etwa in den USA bei einem bestimmten Produkt weniger Umweltschutzrichtlinien als in Österreich berücksichtigen muss, dann könnte Österreich das als Handelshemmnis definieren und so die heimischen Bestimmungen unterlaufen, meint Brauner. Als Beispiel nennt sie hier das "Chlorhuhn": In den USA darf Hühnerfleisch mit chlorhältigen Substanzen behandelt werden. In der EU nicht. "Das ist einfach ein Wettrennen hin zu den schwächeren, weicheren Regelungen", sagt die Politikerin.
Das Abkommen würde so auch "massive Auswirkungen" auf Leistungen der öffentlichen Hand haben - vor allem auf kommunale Dienstleistungen. Schließlich würde es in den USA diesbezüglich weniger strengere Regelungen geben als in Österreich. Hier bringt Brauner einmal mehr das Thema Wasser ins Spiel.
SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner beklagt wiederum die Standards von Beschäftigten in den USA. Vier von acht grundlegenden Punkten seien hier etwa vonseiten der USA nicht ratifiziert worden - wie etwa die Bildung von Gewerkschaften, das Führen von Kollektivvertragsverhandlungen, Mindestalter bei der Beschäftigten und Diskriminierungsverbot.
Als "besonders perfide" bezeichnen Brauner und Regner die geplante Investorenschutzklausel - eine Regelung in dem Abkommen, die die Unternehmen davor schützen soll, dass die öffentliche Hand ihr ihre Wirtschaftsfreiheit nimmt. "Wenn also Unternehmen der Meinung sind, die öffentliche Hand behindert mich, dann können sie klagen", so Brauner. Hier nennt die Wirtschaftsstadträtin die Zigarettenmarke Phillip Morris als Beispiel. Die Firma habe die Australier geklagt, weil sie das Rauchen beschränken wollten. Laut Brauner würde in so einem Fall auch kein staatliches Gericht entscheiden, sondern es seien eigene, demokratisch nicht legitimierte Schiedsgerichte vorgesehen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit entscheiden würden, ob diese Klage gerechtfertigt ist oder nicht.
Für Regner ist das "eine Privatisierung der Gerichtsbarkeit". Schließlich würden in diesen Schiedsgerichten Experten sitzen, die vielleicht vor kurzem noch in einem dieser Konzerne gearbeitet haben - "oder noch viel schlimmer: vielleicht jetzt noch Richter im Schiedsgericht sind, aber vielleicht bald einen anderen Job habe wollen", so die Befürchtung der EU-Politikerin.
Laut Regner bedeute das eine erhebliche demokratische Einschränkung des Handlungsspielraumes eines Staates. Wenn ein Staat sich dazu entschließe, kein Atomkraftwerk mehr zu bauen, aber damit rechnen müsse geklagt zu werden, nur weil ein großes Unternehmen seine Atomkraftwerke aufstellen will, dann sei das höchst bedenklich.
"Demokratiepolitische Farce"
Vor allem fordern Brauner und Regner mehr Transparenz bei den Verhandlungen zum TTIP. Diese würden nämlich "im Hinterstübchen" stattfinden - sogar gewählte Vertretungen würden von den wichtigsten Informationen der Kommission ausgeschlossen, beklagt SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner. Am Ende könne das Parlament das Abkommen annehmen oder ablehnen. Informationen über die Verhandlungen gebe es keine, da dort nur Lobbyisten und Konzerne den Ton angeben würden.
"Es ist derzeit ein Match der Konzerne auf der einen Seite und Bürger, Konsumenten auf der anderen Seite", betont Regner. Den Informationsfluss bezeichnete die Vorsitzende des Rechtsausschusses als "demokratiepolitische Farce": Ab und zu bekomme sie von der Kommission einen Brief - "der ist zwar spannend, aber es sind nur Mosaiksteine, die ausschließlich meinen Themenbereich betreffen. Und ich darf den Inhalt nicht weitergeben."