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Die Welt ist heute weniger globalisiert als vor fünf Jahren. Das kostet Wachstum und Wohlstand.
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Für den in Österreich gar nicht so selten anzutreffenden Typus des ängstlichen Globalisierungsgegners, der dauernd von der Sorge geplagt wird, Österreichs Hochalpenwasser könne verramscht werden, dürfte es eine außerordentlich gute Nachricht sein: Der Grad der Globalisierung der Weltwirtschaft ist heute signifikant geringer als noch vor fünf Jahren. Der Wunschtraum der Globalisierungskritiker ist zumindest ein Stück wahr geworden, die Entglobalisierung und wirtschaftliche Renationalisierung der Welt ist seit 2007 vorangekommen.
Zu diesem Schluss kommt jedenfalls eine äußerst umfangreiche Studie im Auftrag des deutschen Logistikkonzerns DHL, der jährlich untersuchen lässt, wie intensiv die Volkswirtschaften der Welt miteinander verbunden sind.
Was die Globalisierungskritiker freut, ist realwirtschaftlich freilich ein erhebliches Problem. Denn kaum ein auch nur halbwegs ernstzunehmender Ökonom wird heute noch bestreiten, dass Globalisierung und Wohlstand eng miteinander korrelieren. Es ist deswegen auch kein Zufall, dass die Niederlande nicht nur eines der wohlhabendsten Länder der Welt sind, sondern auch das laut der DHL-Studie am stärksten globalisierte, während die Habenichtse dieser Welt regelmäßig auch die am wenigsten globalisierten Staaten sind. (Österreich lag 2012 übrigens auf Platz 19.)
Dass die Globalisierung auch schon einmal bessere Zeiten erlebt hat, könnte für die Bewältigung der akuten Finanz- und Wirtschaftskrise eine erhebliche Chance darstellen, die bedauerlicherweise kaum ernsthaft erörtert wird. Mehr noch: Einzelne EU-Staaten wie Frankreich kokettieren immer wieder mit protektionistischen, also globalisierungsfeindlichen Maßnahmen gegen ihre wirtschaftlichen Nöte.
Notwendig und vernünftig wäre natürlich das Gegenteil, nämlich gerade angesichts der Krise und der immer deutlicher sichtbar werdenden Wachstumsschwächen die Globalisierung wieder energisch voranzutreiben.
Dazu müssten vor allem die noch immer vorhandenen weltweiten Handelshemmnisse beseitigt, weitere Märkte geöffnet und der Wettbewerb gefördert werden. Selbst innerhalb des EU-Binnenmarktes gibt es da noch einigen Verbesserungsbedarf. Kein Mensch kann seriös vorrechnen, welches zusätzliche Wachstum sich damit insgesamt generieren ließe - aber mit ziemlicher Sicherheit wäre es ein signifikanter Beitrag. Angesichts der teilweise obszönen Arbeitslosenraten in einigen Teilen der EU grenzt es an grobe Fahrlässigkeit, solche Chancen einfach liegen zu lassen.
Die USA, in geringerem Maß die Eurozone und neuerdings besonders massiv Japan versuchen derzeit Wachstum zu erzwingen, indem sie immer mehr Geld drucken; ein Experiment, das am Ende leider nicht sehr gut ausgehen wird.
Mehr Freihandel, mehr Globalisierung und mehr Wettbewerb wären eine ernsthafte Alternative zu dieser Voodoo-Ökonomie. Letztere hat freilich einen für Politiker erheblichen Vorteil: Sie erzeugt beim Wähler die Illusion einer schmerzfreien Therapie der Krise, die es so aber nicht geben kann.
ortner@wienerzeitung.at