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Freiheit? Bullshit!

Von Thomas Seifert

Leitartikel

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"Bullshit", schleudert ein Teilnehmer einer in Las Vegas stattfindenden Hacker-Konferenz dem Chef des US-Nachrichtendienstes General Keith Alexander entgegen, als dieser sagt, "wir stehen für die Freiheit". Bullshit - das ist mit Schwachsinn vornehm übersetzt. Der Zwischenrufer hat leider nicht unrecht: Ein Staat, dessen Nachrichtendienste systematisch mittels Prism und X-Keyscore den gesamten globalen E-Mail-Verkehr abfangen, dessen Dienste ermitteln, wer wann welche Websites besucht und dessen bewaffnete Drohnen in Ländern, mit denen sich die USA nicht im Kriegszustand befinden, einfach Menschen mir nichts, dir nichts mit Hellfire-Raketen aus dem Weg räumt, so ein Staat hat aufgehört, für die Freiheit zu stehen. Milliarden an Dollar fließen an den amerikanischen militärisch-industriellen Komplex und die neu entstandene Anti-Terror-Sicherheitsindustrie, Freund, Feind und die eigenen Bürger werden in einem schockierenden Ausmaß überwacht, bespitzelt und belauscht.

Dabei ist Amerikas Terror-Paranoia längst nicht mehr nachzuvollziehen. Hier ein paar Fakten: 2012 starben bei einem Anschlag in Libyen ein US-Botschafter und drei weitere US-Bürger, bei einem Anschlag eines weißen Rassisten auf einen Sikh-Tempel in Wisconsin starben sechs US-Bürger und der Täter, der nach seiner Tat Selbstmord verübte. Am 15. April 2013 starben drei Menschen bei dem hinterhältigen Bombenanschlag auf den Marathon in Boston, 183 wurden an diesem Tag zum Teil schwer verletzt.

Gleichzeitig sterben Jahr für Jahr rund 30.000 Amerikaner durch Schusswaffengebrauch. Das sind mehr US-Bürger, als bis heute seit den ersten Anschlägen auf das World Trade Center im Jahr 1993 bei Terroranschlägen und im Krieg gegen den Terror ums Leben gekommen sind. Doch bis heute kann man ohne Probleme Sturmgewehre bei Supermarktketten wie Walmart erwerben, Pistolen, Munition und Magazine, wie sie sonst nur Spezialeinheiten verwenden. Wenn der Schutz von US-Bürgern vor einem gewaltsamen Tod wirklich die oberste Priorität ist - dann wäre es hoch an der Zeit für scharfe US-Waffenkontrollgesetze und drakonische Strafen für Waffennarren. Es ist höchste Zeit, dass die USA endlich aus ihrem Albtraum des 11. September 2001 erwachen, Bürgerrechte wieder vor Terrorabwehr stellen und die Europäer nicht mehr länger behandeln, als wären sie potenzielle Staatsfeinde Nummer eins.