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Irans Jugend lenkt sich mit Sport ab. | Mittel gegen repressiven Alltag. | Teheran. Fahimeh muss sich beeilen. In 20 Minuten beginnt ihr Fußballspiel. Schnell kauft sie noch ein Glas Granatapfelsaft. Wenn nur dieser Verkehr in Teheran nicht wäre, denkt sie sich und läuft unweit des Studentenparks in eine Seitengasse, wo sich eine Sporthalle für Frauen befindet.
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Es ist 22 Uhr. In der Millionenmetropole herrscht auf den Straßen Feierstimmung. Im Fastenmonat Ramadan zieht es die überwiegend junge Bevölkerung jetzt auf die Straße, um zu essen, zu bummeln und natürlich, um Sport zu betreiben. Angepasst an den Fastenalltag hat sich das Alltagsleben im Iran nach hinten verschoben. Sport und Freizeiteinrichtungen haben von ca. 17 Uhr bis 3 Uhr Früh geöffnet. "Bald habe ich Freiheit für neunzig Minuten", meint Fahimeh stolz und erinnert sich an das Jahr 2006, als alles begann. Sie bekommt noch immer Gänsehaut, wenn sie davon erzählt: "Es war ein sonniger Tag, ich hatte ein oranges Kopftuch an. Sirenen ertönten über dem Ararat-Stadion. Hunderte iranische Frauen feuerten unsere Frauenfußball-Nationalmannschaft an. Es war ein Meilenstein, das erste offizielle Frauenfußballspiel im Iran seit der Revolution 1979. Zum ersten Mal durften wir Frauen im Stadion einem Fußballspiel beiwohnen, und zum ersten Mal durfte unsere Frauen-Nationalmannschaft im eigenen Land spielen", erzählt sie.
Hoffnung durch Sport
Fußballspielen in der Öffentlichkeit ist Frauen im Gottesstaat verboten. So müssen Frauenfußballmannschaften wie jene von Fahimeh immer noch meist in der Halle spielen - geschützt vor den Blicken der Männer.
"An diesem Tag durften die Frauen die Stars sein im Stadion, gegen eine Frauenmannschaft des türkischen Fußballvereins Al Dersimspor aus Berlin-Kreuzberg. Neunzig Minuten konnten wir aus uns herausgehen. Kein Mann war da, um zu nörgeln, nur einige Sittenwächterinnen beäugten unser Treiben skeptisch. Seither ist Fußball im Iran auch eine Leidenschaft der Frauen. Täglich entstehen neue Vereine und Klubs", sagt Fahimeh weiter.
Sport, allen voran der Frauenfußball, wird im Iran immer öfter als Mittel gegen den repressiven Alltag gesehen. Er ist ein Hoffnungsträger für ein Leben ohne religiöse Zwänge. Dass diese sich nicht ganz ausradieren lassen, belegt die Tatsache, dass auch ausländische Spielerinnen im Iran ein Kopftuch und einen speziellen, weiten Trainingsanzug tragen müssen.
Während Fahimeh bereits auf dem Weg in die Umkleidekabine ist, herrscht in der benachbarten Basketballanlage Hochbetrieb. Überwiegend unter 20-jährige Mädchen dämpfen eilig ihre Zigaretten aus und machen sich auf, um Körbe zu werfen. Eine von ihnen ist Leila, 18. Sie steht vor der Eingangstür und schreibt eifrig eine SMS zu Ende. "Wir haben keine Diskotheken oder sonst was. Ich brauche den Sport, um mich abzureagieren. Man ärgert sich so oft über diese blöden Situationen im Alltag, da ist Basketball der optimale Weg, um gestautes Aggressionspotenzial abzubauen. Und auch das Drumherum ist wundervoll. Allein sein unter vielen Mädchen, Tee trinken, über Burschen lästern und Zigaretten rauchen. Alles ohne Angst, dass die Bassijmilizen dich mit ihren strengen Blicken auffressen", meint sie und deutet auf ein Bassij auto vor der Anlage.
Teherans Jugend hat Mittel und Wege gefunden, um das Fehlen von Diskotheken und sonstigen Vergnügungen, die in Europa selbstverständlich sind, zu kompensieren.