)
Pakistan entließ erneut acht afghanische Taliban - darunter Ex-Minister.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Islamabad/Kabul. Je näher der Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan rückt - dieser ist für Ende 2014 angesetzt - desto mulmiger wird der afghanischen Bevölkerung und Regierung zumute. In letzter Zeit flammt aber neue Hoffnung auf: Der sich lange im Tiefschlaf befindliche Friedens- und Versöhnungsprozess gewinnt nun an Fahrt. Pakistan hat Anfang der Woche weitere acht afghanische Taliban auf freien Fuß gesetzt, um dem Friedensprozess am Hindukusch neue Impulse zu verleihen.
Die Freilassungen sind von Bedeutung, da sie mehrere hochrangige Taliban betreffen, denen eine enge Verbindung zum Führer der afghanischen Taliban, Mullah Omar, nachgesagt wird. Das pakistanische Außenamt bestätigte die Entlassung des früheren Justizministers der Taliban, Mullah Nureddin Turabi sowie seines Kollegen Allah Daad Tabib. Die Liste inkludierte auch zwei ehemalige Provinzgouverneure. Die Taliban waren in Afghanistan von 1996 bis 2001 an der Macht. Rechnet man die nun Freigelassenen ein, erhöht sich die Zahl der von Pakistan über die letzten Monate auf freien Fuß gesetzten afghanischen Taliban auf 26.
Die afghanische Seite begrüßte die Freilassungen - und verbuchte diese als eigenen Zwischensieg. Der Sprecher der Präsidentschaftskanzlei erklärte, dass die Einigung durch die Anstrengungen der afghanischen Regierung sowie des Hohen Friedensrates - ein Rat, der die innerafghanische Aussöhnung zum Ziel hat - erreicht werden konnte. Zudem wünsche man, dass Pakistan auch den Rest der afghanischen Taliban freilasse, um ein in Afghanistan verhandeltes Ende des Konflikts zu ermöglichen.
Die Regierung in Kabul versucht seit Jahren, die Taliban in den politischen Prozess zu integrieren und sie dazu zu bringen, die Waffen nieder zu legen. Daher rührt auch ihr Engagement für die Entlassungen - diese sollen als Zeichen des guten Willens der afghanischen Regierung gesehen werden und die Taliban positiv stimmen. Bisher lehnten die Taliban direkte Friedensgespräche ab und griffen wiederholt Mitglieder des Hohen Friedensrates an. Aber auch hier weichen bereits früher eingefahrene Positionen auf: Eine Taliban-Delegation nahm im Dezember an Friedensverhandlungen in Chantilly bei Paris teil - wenn sie auch darauf bestand, dass es sich dabei keinesfalls um Friedensgespräche mit der Regierung in Kabul handle, sondern man die Konferenz lediglich dazu nutze, die eigene Position "vor den Augen der Welt darzulegen".
Freigelassene Taliban als Friedensbotschafter?
Ismail Kasimshar, Leiter der Außenbeziehungen des Hohen Friedensrates, sprach nach der Freilassung durch die pakistanischen Behörden von einem Schritt in die richtige Richtung. "Die frei gelassenen Männer könnten ihre Pflicht abarbeiten, indem sie als Botschafter des Friedens agieren", sagte Kasimshar. Beobachter hingegen äußerten sich skeptisch - die Freigelassenen verfügten bei den Taliban über keinen wirklich maßgeblichen Einfluss mehr.
Pakistan hätte jedoch noch einige richtige Taliban-Kapazunder in petto. Wie viele afghanische Taliban genau in Pakistan in Gefängnissen einsitzen oder unter Hausarrest stehen, traut sich kein Experte zu sagen. Der für Kabul interessanteste in Pakistan Inhaftierte ist Abdul Ghani Baradar, der oft als Nummer zwei der Taliban angeführt wird. Die afghanische Regierung hatte seine Festnahme 2010 im pakistanischen Karachi als Rückschlag für die Friedensgespräche mit den Taliban kritisiert und seine sofortige Freilassung gefordert.
Afghanistan braucht die Kooperation seines Nachbarlands Pakistan aber nicht nur für die Freilassung von Gefangenen. "Ohne Pakistan gibt es keinen Frieden in Afghanistan", sind sich Analysten einig. Auch Pakistan selbst betont dies gerne. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind weiterhin angespannt. "Das Entgegenkommen Pakistans ist lediglich ein Schritt in einem komplizierten Walzer", sagt eine Pakistan-Expertin, die anonym bleiben will, zur "Wiener Zeitung". Er sei nicht bedeutungslos, da es in diesem Walzer mehr Seitwärts- und Rückwärtsschritte gebe, als welche nach vorne. "Aber der Schein der Bewegung ist auch wichtig." Immerhin symbolisiere Pakistan durch diese Geste, dass es gewillt sei, seine Rolle im Friedensprozess zu spielen.
Indes überschlägt man sich in Afghanistan mit Lobpreisungen des Landes, das lange beschuldigt wurde, afghanische Aufständische zu unterstützen. Pakistan hätte die bisher stärksten Signale ausgesendet, dass es seine Versprechungen erfüllen werde, der Regierung in Kabul bei der Stabilisierung Afghanistans zu helfen, heißt es aus dem Friedensrat. Bleibt zu hoffen, dass der eingeschlagene Kurs beibehalten wird - und die Afghanen mit weniger mulmigem Gefühl in die Zukunft blicken können.