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Freiheit, heute und morgen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Wir sollten den Streit, welche Idee von Freiheit zu unserem Selbstbild passt, nicht der FPÖ überlassen.


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Freiheit ist ein großes Wort. Zu Recht, werden doch in deren Namen bis heute Kriege und Revolutionen geführt, wird der Begriff in Hymnen besungen, in Ansprachen beschworen und in Verfassungen garantiert. Freiheit, das ist ein zentraler Leitwert für unser Bild von uns selbst und einer gelungenen Gesellschaft.

Was so groß ist, lässt sich auch für geringere Zwecke gebrauchen. Es gab einmal Zeiten, da galt der Kampf gegen den autofreien Sonntag und später gegen Tempolimits unter dem Schlagwort "freie Fahrt für freie Bürger" als ultimative Freiheitsidee. Heute lässt sich das nur noch ironisch gebrochen zitieren.

Eine offene Frage ist, wie die Lage der Freiheit unter den Bedingungen der Pandemie in der Rückschau bewertet werden wird. Dass die Ver- und Gebote massiv in die persönlichen Lebensbereiche eingreifen, ist so evident wie ungewohnt (und auf einen Gewöhnungseffekt will hoffentlich niemand hoffen). Und was anfangs für alle gegolten hat, wird jetzt auch noch nach "geimpft, genesen, getestet" differenziert.

Statt die Stresssituation zu entlasten, haben also die medizinischen Möglichkeiten die Spannungen nur weiter aufgeschaukelt. Was für die Kritiker der Maßnahmen Ausdruck eines "Unrechtsregimes", so FPÖ-Partei- und Klubchef Herbert Kickl am Dienstag, ist, erweist sich nach der Überzeugung der Befürworter als unausweichlich, um der Pandemie Herr zu werden. Oder anders formuliert: Es geht darum, welche Partei die Definitionsmacht über den politischen Kampfbegriff der "Freiheit" für sich beanspruchen kann.

Die Pandemie wird, hoffentlich früher als später, wieder aus den Schlagzeilen verschwinden, doch die Debatten über Freiheit werden an den Stammtischen in den Wohnzimmern und TV-Studios ungebrochen weitergehen. Das ist angesichts der Themenlage von Klimaschutz, gefährdeter Demokratie und sich verändernden Identitäten zwingend. Nicht ausgeschlossen, dass Kickls Positionierung der FPÖ als brachiale Radikalopposition eine Investition in diese Zukunft ist, die sich dereinst lohnen wird.

Die anderen politischen Kräfte in der Republik sollten die Risiken eines solchen Szenarios nicht kleinreden. Wir stehen erneut vor einer Ära, in der die Grenzen staatlicher Gewalt bis ins Private hinein neu gezogen werden, wo die Träume der einen den Albträumen der anderen entsprechen. Wir sollten also lieber schon heute mit dem Streit darüber beginnen, welche Idee von Freiheit unserem Selbstbild als Individuen und Gesellschaft entspricht, und diese Debatte nicht der FPÖ und ihren Verbündeten allein überlassen.