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Die rumänische EU-Abgeordnete Monica Macovei kritisiert weiche Haltung mancher Staaten gegenüber Russland.
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"Wiener Zeitung": Rumänien, ein Nachbar Moldawiens und dessen Fürsprecher in der EU, möchte das Land so rasch wie möglich mit einem EU-Abkommen näher an die Gemeinschaft bringen. Wird Russland darauf ähnlich reagieren wie im Fall der Ukraine?
Monica Macovei: Es ist eine schwelende Gefahr. Erst vor wenigen Tagen gab es wieder Drohungen aus dem Kreml: Wenn Moldawien das Annäherungsabkommen mit der EU unterschreibe, sei es nicht mehr sicher. Hinzu kommt die separatistische Region Transnistrien, die bereits de facto von Russland kontrolliert wird. Die dortige Hauptstadt Tiraspol ist von Odessa in der Ukraine nur gute hundert Kilometer entfernt. Und wenn ich mit Menschen in Transnistrien spreche, dann sagen sie mir, sie gehen schlafen mit der Befürchtung, am nächsten Tag im Krieg oder in einem anderen Land aufzuwachen.
Wird Russland den Druck noch mehr erhöhen?
Erinnern wir uns an die Ukraine. Kurz vor dem EU-Gipfel in Vilnius im November, wo die Ukraine das Annäherungsabkommen mit der EU unterschreiben sollte, hat Russland immer mehr Druck auf Kiew ausgeübt. Moldawien ist nun in einer ähnlichen Situation. Die Regierung will im Juni den Vertrag unterschreiben, daher wird der Kreml den Druck auch hier erhöhen.
Kann es deswegen auch da zu Verzögerungen bei der Unterzeichnung kommen?
Meiner Meinung nach sollte das Abkommen so bald wie möglich unterschrieben werden - morgen oder übermorgen, und das muss nicht einmal öffentlich getan werden. Das würde Russland keine Zeit für Drohungen lassen.
Was kann umgekehrt die EU mit Drohungen - zu wirtschaftlichen Sanktionen etwa - ausrichten?
Die EU ist zögerlich. Zuerst hat sie sich lange Zeit still verhalten, dann gab es weiche Aussagen, bis endlich Sanktionen wie Kontosperren verhängt wurden. Mich schockieren Äußerungen wie jene des sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Martin Schulz, der vor Sanktionen warnt, weil die EU von russischem Gas abhängig ist.
Das ist Rumänien zu einem Teil auch, und manche osteuropäische Staaten sind es massiv. Dennoch drängen Sie auf deutlichere Strafmaßnahmen gegen Russland...
Das ist meine Meinung und die jener Länder, die nach 1945 unter russischem Einfluss standen: Wir wollen nicht unsere Freiheit für russisches Gas verkaufen. Wir wollen auch nicht die Unabhängigkeit der Ukraine, Moldawiens oder Georgiens dafür verkaufen. Wir möchten uns nicht erpressen lassen. Und wir glauben den russischen Versprechen nicht, wie es noch manche Menschen in Westeuropa tun, die auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs gelebt haben. Sie verstehen die Gefahr, die von Russland ausgeht, noch immer nicht.
Würde die Aussicht auf einen EU-Beitritt die Gefahr für die Länder erhöhen?
Darum geht es noch nicht. Wir befinden uns in einer Krisensituation, und die erfordert eine Krisenlösung. Das wäre eine schnelle Unterzeichnung der Abkommen mit Moldawien und Georgien. Außerdem müssen wir andere Quellen für die Energieversorgung finden, damit wir nicht mehr erpressbar sind.
Rumänien selbst ist seit gut sieben Jahren EU-Mitglied. Wie ist das Interesse an diesen EU-Wahlen?
Ich bin einer der wenigen Kandidaten, die den Menschen erklären wollen, was die Arbeit im EU-Parlament sowie die europäische Gesetzgebung bedeuten und welche Auswirkungen das auf Rumänien hat. Nicht alle tun das: Meistens dreht sich die Debatte um innenpolitische Themen. Doch ich möchte, dass die Wähler wissen, wofür sie ihre Stimme abgeben.
In Ihrer Kampagne sprechen Sie auch vom Kampf gegen die Korruption. Ist das ein innenpolitisches oder ein EU-Thema?
Politische Korruption kostet die Steuerzahler viel Geld. Wir sprechen von hunderten Millionen Euro, die etwa bei Vertragsvergaben fließen. Vor dem EU-Beitritt Rumäniens war ich daran beteiligt, die Antikorruptionsbehörde DNA einzurichten. Diese hat großartige Arbeit geleistet: Es wurden hochrangige Politiker, Richter und Polizeibeamte angeklagt. Als Justizministerin habe ich Gesetze zum Kampf gegen die Korruption erlassen und die Institutionen gestärkt. Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten haben das auch von uns verlangt.
Für diese Arbeit haben Sie auch viel Lob von der EU geerntet. Kurz nach dem Beitritt Ihres Landes zur Union mussten Sie aber die Regierung verlassen.
Ich wurde entlassen, und es gab Versuche, die Reformen wieder rückgängig zu machen. Doch das ging nicht, weil die EU schon im Dezember 2006 einen Kontrollmechanismus eingeführt hatte, um den Stand der Rechtsstaatlichkeit zu prüfen. Daher schlugen die Bemühungen der Regierung fehl, die Institutionen, die sich der Korruptionsbekämpfung widmen, zu schwächen.
Finden Sie es fair, dass dieses Thema trotzdem mit dem Beitritt zur Schengen-Zone verknüpft wird, der Rumänien schon seit zwei Jahren angehören sollte?
Ich will, dass Rumänien Mitglied der Schengen-Zone wird, aber ich kann die Bedenken mancher Staaten nachvollziehen. Wir sind zwar technisch gut vorbereitet auf die Sicherung der Außengrenzen, doch hinter jedem Computer sitzt ein Mensch. Allerdings wurden auch schon etliche korrupte Zollbeamte verhaftet.
Ist die Kritik der EU an Mängeln bei der Korruptionsbekämpfung unberechtigt?
Die Institutionen, die gegen Korruption vorgehen, funktionieren. Doch seit einigen Jahren fehlt der politische Wille: Die derzeit regierenden Sozialisten verhindern weitere Reformen.
Dennoch wollen Sie das Thema auf EU-Ebene heben. Sie haben sich für einen Kontrollmechanismus eingesetzt, um Antikorruptionsmaßnahmen in EU-Staaten zu überprüfen.
Zuvor war Korruption ein Thema nur vor dem Beitritt eines Landes zur Union, und danach war sie wieder ein inneres Problem. Nun soll sie als europäische Angelegenheit betrachtet werden. Als einen meiner größten Erfolge im EU-Parlament sehe ich in diesem Zusammenhang ein geplantes Gesetz an, das die Beschlagnahme von Konten und Mitteln vorsieht, die auf kriminelle Aktivitäten zurückzuführen sind. Wenn jemand etwa wegen Menschen- oder Drogenhandel verurteilt wird, kann der Richter auch das Geld des Verurteilten konfiszieren lassen - unter Umständen sogar auf Konten von Angehörigen. Die Mittel müssen wieder ins Budget zurückkehren, andernfalls kommen sie nur erneut dem organisierten Verbrechen zugute.
Zur Person
Monica Macovei
sitzt seit 2009 für die rumänische Demokratisch-Liberale Partei im EU-Parlament und ist Mitglied der Europäischen Volkspartei. Die Juristin war von 2004 bis 2007 Justizministerin. Eines ihrer großen Themen war und ist die Bekämpfung der Korruption.