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Am schönsten Platz in der Mitte Berlins feierte ein 200-jähriges, ehrwürdiges Gebäude sein 25. Jubiläum. Paradox? Nicht in der geteilten und wiedervereinigten Hauptstadt.
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Der republikanische Bundestag mag protestieren wie er will, für die Berliner wird er ewig im "Reichstag" sitzen. Ähnlich ergeht es dem "Schauspielhaus", in dem seit fast 70 Jahren kein Schauspiel mehr aufgeführt wurde. Der Name des Gebäudes ist hartnäckiger als der seiner Nutzung.
Die "Waffen-Leute", die Gens dArmes, hatten ihre Pferdeställe im Zentrum der Friedrichstadt. Der frankophile "alte Fritz" wollte den "Gendarmenmarkt" aufwerten, ließ die Stallungen schleifen und stattdessen ein französisches Komödienhaus errichten.
Dieses wurde 1802 vom Schöpfer des Brandenburger Tores, Langhans, durch ein "Nationaltheater" ersetzt, das 1817 abbrannte. Nun wurde Karl Friedrich Schinkel mit dem Neubau beauftragt. "Schinkel gab dem (...) Theaterbau (.. .) eine neue Ausrichtung und griff damit sehr zum Vorteil des Gendarmenmarktes in das städtebauliche Gefüge ein. Durch den gestaffelten Aufbau von der Haupttreppe über die Säulenordnung des Portikus bis hin zu den übereinander liegenden Giebeln von Portikus und Mittelbau wird eine platzbeherrschende imposante Wirkung erzeugt." (Berliner Denkmalamt). Zu dieser "imposanten Wirkung" außen wie innen trägt nicht zuletzt der reiche Figurenschmuck bei, von Friedrich Wilhelm Tieck geschaffen, dem jüngeren Bruder des bekannten Dichters Ludwig Tieck: unter anderem neun Musen, vier große Reliefs für die Giebelflächen der Vorderfront und der Seiten, eine in Kupfer getriebene Apollo-Figur im Greifenwagen, die das Gebäude krönt, ein Pegasus auf der Rückseite des Hauses. Zwei Bronze-Skulpturen zu beiden Seiten der großen Freitreppe symbolisieren die friedliche Macht der Musik: Musizierende Genien reiten auf Löwe und Panther.
Prunk und Pracht im Inneren - mit insgesamt rund 90 Räumen unterschiedlicher Größe und Höhe - veranlasste manch kritischen Geist, über so viel "stuckstarrende Künstlichkeit" die Nase zu rümpfen.
Seit der feierlichen Eröffnung mit Goethes "Iphigenie" im Jahr 1821 wurde vor allem Sprechtheater, aber auch Musik geboten. Hier dirigierte Carl Maria von Weber die Uraufführung seines "Freischütz", hier hörten die Berliner zum ersten Male Beethovens "Neunte", hier traten Paganini, Mendelssohn, Liszt und Wagner auf.
Auf dem Spielplan des Jahres 1848 standen etwa "Die Räuber", "Prinz Friedrich von Homburg" und auch "Hamlet".
Als "Preußisches Staatstheater" stand es ab 1918 unter der Leitung des jüdischen Theaterneuerers Leopold Jessner, der 1933 nach Amerika emigrierte. Vor seiner Zerstörung 1944 war es das Theater von Gustaf Gründgens, dem künstlerisch unumstrittenen, politisch jedoch höchst umstrittenen "Mephisto".
Bis 1979 lag die Ruine, die der DDR zugefallen war, brach. Dann entschloss man sich zur originalgetreuen Rekonstruktion, rechtzeitig zur 750-Jahr-Feier der Stadt. Weil es in Ost-Berlin genug Sprechbühnen gab, widmete man das Prachtgebäude ausschließlich der Musik.
Seither finden hier etwa 550 Veranstaltungen jährlich statt. Mit seinen rund 100 Konzerten pro Saison prägt das Konzerthaus-Orchester den Spielplan. Die Junior-Reihe bringt Aufführungen für Kinder ab fünf Jahren. Größter Besuchermagnet ist das "Classic Open Air", das vor dem Konzerthaus stattfindet.
Zur feierlichen Wiedereröffnung am 1. Oktober vor 25 Jahren erklang Beethovens Neunte; und heuer zum Jubiläum wiederum.
Als Leonard Bernstein kurz vor seinem Tode hier die gleiche Symphonie aus Anlass des Mauerfalls dirigierte, änderte er den Text der Schillerschen Ode in "Freiheit - schöner Götterfunken".